Sich aufbauen
Auch wenn man es im Alltag meist anders erlebt und denkt, das
"eigentliche" Leben findet eher im Inneren als im Außen statt. Anders
wäre auch nicht zu erklären, dass ähnliche oder gleiche Situationen und
Ereignisse von den verschiedenen Menschen sehr verschieden bewertet werden.
Diese "innere Bewertung" ist es, die den Dingen und Ereignissen ihre
individuelle Bedeutung zukommen lassen. Was besonders für das Verhältnis, das
"Bewerten" der eigenen Person angeht. Denn niemand sonst kennt die
eigenen Schwächen und Fehler, auch die eingebildeten, besser als man selbst.
Umgehend mit praktischen, griffigen, verständlichen Beispielen beginnen (eine
Bindung an praktische Fallbeispiele, die sich durch das Buch hindurchzieht),
legen die Autoren ihr Augenmerk auf diese neuralgische Stelle im Menschen. Auf
den "Selbstwert" und Störungen im Selbstwert-Gefühl. Die Angst,
unangenehm aufzufallen, die ein ständiger, niedermachender Begleiter werden
kann. Das sich ständig zu Bestleistung angetrieben fühlen und das Schöne im
Leben dabei auf der Strecke lassen. Nicht allein sein können und sich selbst
als "schwer zu ertragen" empfinden. Vielfach kanns ich das anfühlen,
dieser Mangel an Selbstwert, differenziert sind die Symptome und doch geht es
immer um das eine. Ob man sich selbst annehmen kann, seine Stärken und
Schwächen im rechten Licht und mit gnädigen Augen zu betrachten versteht oder
ob da ein "innerer Antreiber" und eine laute, innere Stimme immer
wieder ein "Das war nichts, das ist nichts, das geht nicht, das bekommst Du
nicht hin" in den Raum des Lebens festsetzt.
"Er selbst gibt immer 150% Leistung" - Und kommt doch nicht zu diesem
tief befriedigenden Gefühl, mit sich selbst zufrieden und im Reinen zu sein.
"Der negative Selbstwert wirft einen langen Schatten auf das Leben der
Betroffenen"
Gut ist, dass die Autoren in keiner Weise in den Raum setzen, ein
"einfaches Programm" vorzulegen, mit dem jeder vom "The bad"
zum "The good" quasi über Nacht mutiert, sondern die Tücken des
Weges ebenso vor Augen führen, wie die vielfachen Ursachen für eine Störung
des Selbstwert-Gefühls, übergehen zu klaren, hilfreichen Interventionen und
Methoden, um damit auch zu verdeutliche, dass es ein erfolgversprechender, aber
eben auch langer Weg. Bei dem es sich überaus lohnt, für das eigene Leben,
"dran zu bleiben".
Und auch dem allgemein interessierten Leser bietet das Werk ein tieferes
Verständnis für die inne liegenden Motive des eigenen Verhaltens und das der
anderen. Wenn es um "The ugly" geht, um narzistische
Persönlichkeiten, dann wird deutlich, dass auch hier am Ende, bei aller Hybris,
nichts anderes vorliegt als ein tief sitzendes Gefühl des eigenen
"Un-Wertes", dass sich nur auf besondere und sich selbst
pseudo-erhöhende Weise (durch Ausnutzen der anderen zur Stützung der eigenen
Person) ausdrückt.
"Um negativen Selbstwert auszugleichen oder zu verstecken, legen Menschen
sich eine grandiose Fassade zu".
Und auch durchaus spannend ist die Klärung der Frage "Henne oder Ei"
zu lesen. Das zunächst die "innere Balance" der eigene Selbstwert
aktiv vorliegen muss, "damit das Leben Schön wird", dass man von
"innen nach außen" gut leben kann, von "außen nach innen"
die Kern-Verunsicherung aber nicht bewältig werden wird.
Fazit
Das Ganze legen die Autoren sehr verständlich, teils zwingend logisch, vor,
bieten auch im Schriftbild immer wieder Zusammenfassungen und bleiben erfreulich
praktisch im Stil. Um also das "Wunsch-Ich" besser einschätzen zu
können, abzulegen, was Illusion ist und vor Augen zu halten, was ein guter Weg
wäre, ist es einfach notwendig, vom "Soll-Ich" und dem ständigen
Scheitern daran das "Bin-Ich" anzunehmen und in guter Weise
wertzuschätzen. Wie das geht, was es dafür braucht, welche Tücken auf dem Weg
warten, von all dem handelt dieses zu empfehlende Werk.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 06. November 2019 2019-11-06 11:16:34