Der hochbetagte Maurice Hannigan hat seine letzten Angelegenheiten in Ordnung
gebracht. Sein Besitz ist an einen ausländischen Investor verkauft, die Kisten
mit Erinnerungsstücken für Angehörige und Weggefährten sind gepackt und
beschriftet, nun will er in der Hotelbar fünf Trinksprüche ausbringen auf die
fünf Personen, die sein Leben geprägt haben. "When all is said" …
so der treffende Originaltitel. Die Menschen, die von Maurice Erinnerungsstücke
vererbt bekommen, sind andere als die, an die er an diesem Abend zurückdenkt.
Es kann also eine lange Nacht werden mit ihm an der Bar des Hotels, das für ihn
eine besondere Bedeutung hat. Dass er am Ende seines Lebensweges angelangt ist,
ist von Beginn an klar, ein Happy-End ist ausgeschlossen. Fragen könnte man
sich, warum Maurice seinen Haushalt allein aufgelöst hat, ohne Hilfe von
Freunden und Nachbarn. Gibt es in seinem Leben Dinge, die er lieber verbirgt?
Maurice hatte eine harte Kindheit, geprägt durch Armut und schwere Arbeit. Der
Konflikt zwischen wohlhabendem Grundbesitzer und abhängigem Landarbeiter wird
ihn lebenslang prägen, auch die Verbitterung, dass sein Bruder Tony jung
sterben musste, weil die Familie arm war. Die Not seiner Jugend wird zum Antrieb
von Maurices geschäftlichem Erfolg, sie ist jedoch auch Grund für seine
Maßlosigkeit, die andere Menschen oft nicht nachvollziehen können. Aus
Maurices sprunghaftem Erinnern muss man sich manches zusammenreimen. Maurices
Reden auf seine Frau, seinen Bruder, seinen Sohn, seine tot geborene Tochter und
die behinderte Schwester seiner Frau verknüpfen sich zu einem typisch irischen
Lebenslauf, geprägt von Tabus und Ungesagtem. All das so lange nicht
Erzählte, nicht Getane, nicht Wertgeschätzte wirkt in der Konzentration
zutiefst deprimierend und erklärt schließlich Maurices besondere
Familiensituation.
Fazit
Anne Griffin verwebt die Geschichte vom ewigen Konkurrenzkampf zweier Familien
mit der Geschichte ihres Landbesitzes und des Hotels, in dem Maurice seinen
letzten Trinksprüche ausbringt. Eine besondere Rolle für Maurice, wie auch
für seinen Konkurrenten Thomas, spielt die Münze, die auf der Coverrückseite
abgebildet ist. Ob die Geschichte der Münze in die Familiengeschichte
eingepasst wurde oder die Familienstory in die der Münze, ist schwer zu
entscheiden. Die Gliederung des Romans durch Maurices liebevolle Auswahl des
passenden Getränks, ein Buchcover in edlem Golddruck und ein Lesebändchen
vermitteln eine Wertschätzung, die in Maurices Leben zu lange gefehlt hat.
Vorgeschlagen von Helga Buss
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veröffentlicht am 22. August 2019 2019-08-22 09:25:31