Paul Krugman, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Princeton
University ist regelmäßiger Kolumnist der New York Times. Von ihm erschien
unter anderem "Die grosse Rezession". Er gehört wirtschaftspolitisch
zu den Anhängern von John Maynard Keynes und befürwortet eine
nachfrageorientierte Politik. Im vorliegenden Buch wird dies an der Würdigung
für James Tobin deutlich, dem Anreger einer Steuer auf weltweite
Kapitalströme, der den simplen und mechanischen Keyesianismus der vierziger
Jahre in eine gut durchdachte Wirtschaftslehre umwandelte (so die Bewertung
Krugmans auf S. 258 des vorliegenden Buches). Scharf geht er insbesondere mit
der Wirtschaftspolitik der Regierung Bush ins Gericht, dem er schamlose
Interessenpolitik für die Reichen vorwirft.
Das interessante an diesem Buch ist jedoch, dass der Wirtschaftswissenschaftler
und Berater Präsident Clintons hier erstmals sein Fachgebiet verläßt und auch
eine politische Bewertung der Regierung Bush abgibt. In Anlehnung an den
Revolutionsbegriff, den Henry Kissinger, langjähriger republikanischer
Außenminister unter Nixon und Ford, in seiner Doktorarbeit entwickelt hat,
sieht er in der Mannschaft um George Bush Revolutionäre, die den bisherigen
gesellschaftlichen Konsens zugunsten einer reinen wirtschaftlichen
Interessenpolitik für die Reichen und einer aggressiven imperialistischen
Außenpolitik aufgegeben hätten und wirft der Bush-Regierung in diesem
Zusammenhang schlicht Radikalismus vor (S. 31).
Das vorliegende Buch beinhaltet ein Kompendium an Aufsätzen, die der Autor
zwischen 2000 und 2003 für die New York Times geschrieben hat. In diesem Buch
wird sie in vier Themenbereiche geteilt, wobei es insbesondere um die
Wirtschafts-, Finanz-, aber auch die Gesellschafts- und Außenpolitik der
Bush-Regierung geht. Nun gibt Krugman zu, dass bestimmte Entwicklungen unter
Clinton eingesetzt hätten, bescheinigt jedoch diesem Präsidenten samt dessen
Finanzminister Rubin eine gut durchdachte Wirtschaftspolitik, insbesondere in
der Reaktion auf Ereignisse in der Weltwirtschaft in den 1990-ger Jahren
(Stichwort: Asienkrise, Mexikokrise). Damit hatte sich der Autor schon in seinen
früheren Publikationen, insbesondere: "Die grosse Rezession" (1999)
beschäftigt.
Interessant vor allem der Zusammenhang zwischen Wirtschaftspolitik und
politischem System herausgearbeitet wird: "Das verantwortungsbewusste
Handeln, das wir in den neunziger Jahren kennen und schätzen gelernt hatten,
war offenkundig nicht viel mehr als ein glücklicher Zufall, der daraus
abgeleitete Vertrauensvorschuss vollkommen ungerechtfertigt. Die Konservativen
jedenfalls hatten nichts, aber auch gar nichts dazugelernt. Im Wahlkampf 2000
trat George W. Bush mit einem Programm auf, das stereotyp zwei Schlagworte
wiederkäute: Steuersenkungen und Sozialabbau. Die Rechnung ging vorn und hinten
nicht auf und konnte gar nicht stimmen." (S. 18).
Diese Themen werden in den Aufsätzen vertieft, wobei Wieerholungen vorkommen.
Krugmans Thesen sind für mich stimmig. So ist es ja kein Zufall, dass der
demokratische Präsident Clinton ein Land ohne Staatsverschuldung hinterließ,
unter seinem Nachfolger Bush innerhalb von drei Jahren über vier Milliarden
Dollar Staatsschulden entstanden sind. Wer dieses begreifen will, sollte dieses
Buch lesen - zusammen mit dem Buch: "Die roaring nineties" von Joseph
E. Stieglitz. Auf wirtschaftlichem Gebiet sind dies sicherlich die beiden besten
Bücher, die zur Zeit auf dem deutschen Markt erschienen sind.
Leider ist es an einigen Stellen sehr polemisch und zu wenig ausgewogen, da die
Schockwirkungen, die der 11. September 2001 bewirkt hat, zu wenig
berücksichtigt werden. Denn sicherlich hätte auch ein Präsident der
Demokraten, ob Clinton oder Bush, auf die entsetzlichen Ereignisse des 11.
September mit der Ausweitung der Verteidigungsausgaben reagiert und versuchen
müssen, die an dem Attentat Schuldigen zu bestrafen.
Fazit
Gut jedoch, dass die katastrophale Wirtschaftspolitik der Regierung, die Krugman
den "großen Ausverkauf" nennt, präzise und genau herausgearbeitet
werden. Insofern ein wirklich gutes Buch und unbedingt - neben Stieglitz -
lesenswert.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 14. Mai 2004 2004-05-14 20:23:32