Aus dem Leben einer Lehrerin berichtet die Autorin des Buches, Julia
Wöllenstein. Sie unterrichtet an einer Gesamtschule, die in einer
nordhessischen Großstadt in einem Einzugsgebiet liegt, das der Schule einen
hohen Migrantenanteil zuführt. Soweit zur "Vorgeschichte".
Inhaltlich beschreibt Julia Wöllenstein die besondere Problematik der Schule,
an der sie ihren täglichen Unterricht versieht und das, ganz offensichtlich,
mit großem Engagement. Kinder mit Migrationshintergrund bilden die deutliche
Mehrheit in der Schule. Das bedeutet für die Lehrer*innen, sich immer wieder
besonderen Rahmenbedingungen zu stellen. Hierbei handelt es sich zumeist um
eindeutig patriarchalisch geprägte familiäre Strukturen, die zu einem
speziellen Verhältnis in Bezug auf Gleichberechtigung einerseits, aber auch im
Verhältnis zu weiblichen Lehrkräften führen. Bildungsferne Elternhäuser, in
denen häufig wenig oder gar nicht Deutsch gesprochen wird, verursachen weitere
Probleme im Unterricht von Regelklassen, also Klassen, bei denen in Bezug auf
das sprachliche Niveau, Deutsch als Muttersprache vorausgesetzt wird. Die
Prägung durch Religion (mit den hierin enthaltenen Maßgaben an das
"normale Leben") führt zu Konflikten, insbesondere im Umgang und in
der täglichen Begegnung von Kindern unterschiedlicher Herkunft und
unterschiedlicher Religionszugehörigkeit. Dies wiederum führt zu Konflikten
untereinander, aber auch zu Konflikten mit dem System "Schule", die
einen staatliche Bildungsauftrag verfolgt und verfolgen muss. Die Autorin hält
ihn für absolut sinnvoll und fordert klare Regeln und die Achtung vor den
Maßgaben des Grundgesetzes der Bundesrepublik.
Dennoch fordert sie andererseits auch mehr Flexibilität vom System Schule, um
auf spezifische Situationen besser reagieren zu können. Zudem wird Kritik am
dreigliedrigen Schulsystem immer wieder spürbar und überdies auch klar
geäußert. Als Fazit werden sieben Forderungen aufgestellt (an alle
Beteiligten), damit Integration in der Schule gelingen kann!
Fazit
Mit jedem Satz merkt man der Autorin an, dass sie ein besonderes Engagement in
ihrem Beruf lebt und versucht, das Beste aus der teilweise recht schwierigen
Situation zu machen. Sie schildert ihre Sichtweise in gut nachvollziehbarer Form
und in die teilweise komplizierten inneren Strukturen des Schulsystems werden
die Leser durchaus mitgenommen. Dass Schule aufgrund sehr unterschiedlicher
Bedingungen immer wieder an Grenzen stößt, verschweigt sie nicht und
beschreibt, wie die Situation eventuell besser zu gestalten wäre.
Die Erfahrungswelt, die sie beschreibt, sind präsent, jedoch durchaus nach wie
vor noch nicht der "Normalfall" an Deutschen Schulen. Von daher stellt
sich an verschiedenen Stellen die Frage, ob die Thesen wirklich auch für alle
Schulen gut und praktikabel sind. Hier muss man sicher mit den Ideen der Autorin
nicht immer übereinstimmen. Einzelne Thesen sind sicher universell verwendbar
(Durchsetzung des staatlichen Bildungsauftrages für alle Schüler*innen,
unbedingte Akzeptanz der Werte unserer Verfassung u.v.m.), andere erscheinen
eher situationsspezifisch entstanden.
In jedem Falle aber ist ein interessantes und anregendes Buch entstanden, das
den Leser reichlich Informationen anhand gibt und dazu animiert, eigene
Positionen zu finden.
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
[Profil]
veröffentlicht am 03. August 2019 2019-08-03 10:03:08