Kontraststark und Entwicklungen auf den Punkt bringend
Was am Ende der Lektüre doch auch verbleibt ist, dass Nielsen in diesem Buch,
in dem er gegenwärtige Strömungen von Nationalismus, Migrationsproblematik,
aber auch die aktuellen Entwicklungen der digitalen Welt intensiv aufnimmt, die
wichtigen Sätze und Erkenntnisse doch etwas lapidar eher wie nebenbei
mitlaufen, während die Geschichte selbst sich in verschiedenen Erzähllinien
eher "innen" abspielt, in der Entwicklung der Figuren, und nicht
"außen" in den Bedeutungen für die moderne Welt.
Was unter anderem (deswegen wohl auch bei "Heyne Hardcore" erschienen)
in expliziten, pornographisch wirkenden Szenen sich wiederfindet, die kein Blatt
vor den Mund nehmen, was den Geschlechtsakt angeht, die aber auch, verstörend,
auch einer "Unzucht" das Wort führt (schaut man an, mit wem genau
dieser dänische Maler Christian sein Verhältnis pflegt) und der Gedanke, das
inzwischen alles auf dieser Welt nurmehr Geschäft ist und mit Geld beglichen
werden kann auch auf diese Beziehungsebene noch übertragen wird.
Während in Dänemark selbst, am Ende in ganz Europa, das Chaos ausbricht und
die Armee dauerhaft eingesetzt wird, gegen Terroranschläge, aber am Ende gegen
alles, was anders ist (Muslimisch vor allem) vorzugehen. Nachdem harte
Anschläge viele Opfer gekostet haben. Und jeden "Problemfall" in eine
Flüchtlingsstadt nach Mozambique auszulagern, die Dänemark gepachtet und
aufgebaut hat. Was auch Stig, den Galeristen, betreffen wird. Denn während er
wohl nur Fantasien nachhängt, was für ein "linker und agiler"
politisch denkender Mann er einmal gewesen ist, während dem Leser deutlich
wird, dass auch er nur damals den Möglichkeiten der Zeit wie ein
"Konsument" freien Denkens folgte, geht seine Tochter ganz andere,
klare Wege. Was vielleicht zu einem Happy-End führen könnte, aber zunächst an
vielen Stellen mit Scheitern und Enttäuschungen gepaart ist, in einer Welt,
die allseits wenig Toleranz miteinander pflegt und in der, im Buch, vielfache
Vorurteile gegen alle Gruppen von Meinungen und religiöser und ethnischer
Zugehörigkeit sich breit wiederfinden.
Dass Frauen besser voll verschleiert sich durch Gruppen muslimischer junger
Männer bewegen, dass man, will man noch eingermaßen "normal" leben,
sich am Besten der Kolonie auf Lolland anschließt (einer Halbinsel, die Nielsen
durchaus interessant gestaltet mit ihrer einerseits eher mittelalterlichen
Lebensweise in Kleidung und Transportwesen (Esel und Pferde) und andererseits
zukunftsorientierten Technik, was Medizin und Drohnen angeht. Diese Perspektive
allerdings kommt ein wenig zu kurz hinter den steht den persönlichen,
innerlichen und äußerlichen Befindlichkeiten der Protagonisten hauptsächlich
zuwendenden Erzählweise.
Durchbrochen von Dialogen und Geschichten eines "viel später", in dem
zwei besondere Protagonisten auftreten, philosophisch diese Welt betrachten und
am eigenen Leib erleben werden, wie das ist, wenn einer den Fortschritt
genießen darf und damit der Körper sehr stabil dem Vergehen der Zeit
gegenüber ist und der andere von diesem Fortschritt "ausgeschlossen"
wird. Fehlverhalten wird nicht toleriert, so kann man diese "neue
Gesellschaft" auf Lolland auch verstehen und damit die eine oder andere
Parallele zu den "Reichsbürgern" in Deutschland ziehen. Abgenabelt
genug vom alltäglichen Leben im Land selbst sind die Bewohner und
Wissenschaftler aus Lolland auf jeden Fall.
"Mit der Zeit entwickelte man auch Mittel und Wege, sein Bewusstsein in
andere Körper zu übertragen". Auch tierische Körper. Während also die
Welt in ihre Einzelteile zerfällt, folgen bestimmte Personen nur mehr ihrem
eigenen Wohlbefinden und neuen Arten der "Unterhaltung" in einem
ziemlich lange andauernden (wenn man das will) Leben. In dem, man beachte
"Jack" im Buch, doch am Ende die "wilden Instinkte" überall
durchbrechen werden.
Fazit
Dass es immer weitergeht, das ist eine der Schlussfolgerungen dieses Werkes,
dass aber jenes "wie es weitergeht" am Ende doch ratlos zurücklässt,
auch das gehört zu dieser Lektüre dazu.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 21. Juni 2019 2019-06-21 14:36:15