Sprachlich hervorragender britischer Gesellschaftsroman
Oxford um 1940. Eliteuniversität im Land im Krieg. Der Upper-Class Nachwuchs
lebt sein Leben mit ausgewählter Kleidung, im Literaturclub, in
"Verdunkelung", in Teilen mit dem starken Wunsch nach Heldentum und an
die Front kommen zu können, vor allem aber in gepflegter Langeweile, mit
Hauspersonal und der ein oder anderen, damals noch, überaus verbotenen Neigung,
sich auch erotisch "ins Spiel zu bringen".
"Er hatte das Handtuch wieder um den Hals geschlungen, stemmte die Fäuste
in die Seiten, machte die Beine breit. Der offene Schlitz seiner Schlafanzughose
erlaubte einen flüchtigen Blick auf sein Geschlechtsteil".
Jener David Sparsholt, der als attraktiver, hervorragend aussehender und
muskulöser junger Mann den Mitstudenten das ein oder andere Rätsel aufgibt,
vor allem aber nach nur wenigen Augenblicken für nicht wenige ein anregendes
Objekt der Begierde darstellen wird. Was sich sein ganzes Leben lang durchziehen
wird und zu eben jenem Skandal kulminiert, den Hollinghurst allerdings
schlichtweg der Fantasie des Lesers überlassen wird. Denn konkret wird der
Roman nicht, was denn genau irgendwann geschehen sein wird. Das ein oder andere
Beispiel aber, das all dem zugrunde liegen könnte, kann der Leser sich daher
nur historisch erschließen. Denn "Liebe unter Männern", zumindest
"internes erotisches Vergnügen", das gab es ja durchaus in der strikt
nach Klassen getrennten Gesellschaft Britanniens jener Jahre.
"Man muss sich schließlich bereithalten". Ein Motto des David
Sparsholt, das dahingehend überaus mehrdeutig im Raum steht.
Hollinghurst liegt seinen Roman dabei über eine lange Zeitdauer an, von 1940
bis 2012, geht den Spuren seiner Protagonisten nach, die sich damals in Oxford
kennenlernten und gestaltet dies auch durch nachfolgende Generationen hindurch,
bis der Tod einer der Hauptpersonen all dem ein natürliches Ende bereitet. Mit
im Übrigen auch einer "vererbten" oder "durchgereichten"
Neigung hin zu "schönen Männern", wie es auch der Sohn Davids
widerfahren wird. Und eben diese Geschichte der homosexuellen Neigungen gegen
die die Gesellschaft Englands in aller Härte zu Zeiten vorging, inklusive Haft
und Skandal, bildet dabei die Klammer des Romans, der an verschiedene Orte und
Erdteile mit klassisch trockenem Humor und feiner Ironie in den Dialogen führt.
Fazit
Das alles in überaus eleganter und genau beobachtender Sprache vorgelegt ergibt
eine interessante, tatsächlich klassisch britische Lektüre über die
Gesellschaft, die Standesunterschiede, das verklemmte nach außen hin
unbeteiligt und nach Innen hin exzessive lustvolle Erleben dieser klassischen
Gewächse der oberen Schicht. Mit ebenso feinen, nicht unbedingt pornographisch
gestalteten, aber sehr aussagekräftig dargestellten Sex-Szenen als "Lust
am Verbotenen" und hin- und hergerissener Neigung.
Was im Gesamten aber auch hier und da ein stückweit unverbunden nebeneinander
her erzählt wird und gerade da besonders informativ und anregend zu lesen ist,
wo sich die Ebenen der Gesellschaft durchmischen und doch immer fein
unterschieden bleiben.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 02. Mai 2019 2019-05-02 14:39:50