In der letzten Woche habe ich die Bekanntschaft mit der wohl sympathischsten
Ermittlerin der letzten zehn Jahre gemacht. Ich kannte Detective Sergeant Fiona
Griffith bislang noch nicht. Doch ich wurde überaus positiv überrascht. Dabei
verblasst beinahe hinter dieser ungewöhnlichen und jungen Ermittlerin, die man
einfach lieben muss, der Schöpfer von ihr: Harry Bingham. Seine Figur
überstrahlt alles.
Zur Handlung möchte ich gar nicht viel sagen: In einer kleinen Kirche in Wales
wird die Leiche eines jungen Mädchens, aufgebahrt und zur Totenmesse gekleidet,
gefunden. Doch sie ist nicht eines unnatürlichen Todes gestorben. Es gibt keine
Vergewaltigungs- oder Gewaltspuren. Und dennoch spürt Fiona, die die Leiche
eine ganze Nacht lang bewacht, dass es einen Zusammenhang zu einem Verbrechen
gibt.
Doch was macht Fiona zu einer so besonderen Figur? Nicht nur die Tatsache, dass
sie an einer Krankheit leidet, bei der sie sich selbst als eine Leiche fühlt.
Es ist vielmehr zunächst das frische und freche Mundwerk, mit dem Fiona ihre
Geschichte erzählt. Und ja, das ist schon die zweite Besonderheit: Sie ist
Polizistin und erzählt in der ersten Person im Präsens. Diese
Erzählperspektive ist nicht jedem Schriftsteller gegeben, sie erfordert ein
besonderes Geschick. Davon abgesehen, dass der Ich-Erzähler in Kriminalromanen
eigentlich den Privatdetektiven vorbehalten ist. Doch Fiona ist Polizistin. Sie
erzählt in abgehackten, nicht vollendeten Sätzen. Ein bis zwei Worte reichen
manchmal aus, um als Leser zu wissen, was sie denkt, was sie meint. Außerdem
hat sie ihre Karriere in der Polizei eigentlich noch vor sich, verspürt aber
keinerlei Ambitionen zu Höherem. Dafür möchte Fiona immer nur eines: ihren
Willen durchsetzen. Höchst amüsant wirken deshalb ihre Gespräche mit den
Vorgesetzten, denen sie einerseits schmeichelt und dem Leser bei jedem
"Jawohl, Sir!" mitteilt, was sie dabei denkt. Bei so manchem Gesagten
"Jawohl, Sir!" scheint sie hinter ihrem Rücken den Mittelfinger einer
Hand hoch zu strecken. Doch die Besonderheiten dieser Figur nehmen damit noch
kein Ende. Gegen ihren Vater, der tatsächlich ein Verbrecher ist, hat sie
ermittelt. Außerdem ist sie die Freundin der Tochter eines Mörders, den sie
ins Gefängnis gebracht hat. Und sie verspricht dem Vater eines verschwundenen
Mädchens, dass sie ihm seine Tochter zurück bringen will. Genau genommen
nicht, dass sie das Mädchen zurück bringt, wohl aber dass sie es versuchen
wird. Dafür organisiert sie eine Putzkolonne für den depressiven Vater, damit
dessen Haus wieder einladend aussieht. Und sie organisiert auch eine
inneneinrichterin für ihn.
Man muss beim Lesen des Romans nun aber nicht vor lauter Ermittlungsarbeit in
Rätselraten verfallen. Es gibt genügend Action und turbulente Szenen, in denen
sich Fiona wegen ihrer Dickköpfigkeit in Gefahr begibt. Dadurch bekommt sie
hinreichend Gelegenheit, ihre Schlagkraft und Geschicklichkeit unter Beweis zu
stellen.
Fazit
Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich nicht verstehe, warum Harry Bingham mit
seiner Fiona-Reihe bislang an mir vorbei gegangen ist. Er ist einer der besten
Schriftsteller, die das Vereinigte Königreich zu bieten hat. Und er verlagert
mit der Fiona-Reihe die Schauplätze von Schottland und England nach Wales. Aber
es passt und jeder Krimiliebhaber sollte zugreifen.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 07. April 2019 2019-04-07 16:58:32