Umfassendes Drama mit indigenem Hintergrund
Komplex, das ist auf jeden Fall, was hinter jener Tat in einer kalten Nacht in
Winnipeg, nicht in der besten Gegend dort, geschieht. Und Stella, die Zeugin des
Geschehens, hat auch zunächst nicht den besten Stand, ihrem Mann und der
Polizei gegenüber.
"Ihre Gedanken zerfasern, aber sie erinnert sich an alles, immer
wieder" - "Sie war klein, so kleine".
Jene junge Frau, die in Sichtweite des Hauses von Stella überfallen und wohl
übel zugerichtet wird, auch wenn sich zunächst keine Spur der
"Kleinen" findet. In einer Gegend, die polizeibekannt schon an sich
nicht zu den friedlichsten des Ortes gehört und daher Auseinandersetzungen,
Gewalt, Alkohol und anderes bei der Polizei wenig Aufregung hervorruft. Aber in
diesem Fall wird das Geschehen Folgen haben. Schlimme Folgen für ein junges
Mädchen und, daran sich Seite für Seite aufbauend, eine ganze Welt voll
Gewalt, Unterdrückung, miesem Verhalten und Bedrängung über Generationen
hinweg dem Leser vor Augen geführt werden. Vielen Fäden folgt Vermette dabei
im weiteren Verlauf der Geschichte, in deren Mittelpunkt Frauen stehen, die im
sozialen unteren Bereich immer schon (und scheinbar auch weiterhin) mit den
täglichen Sorgen ums Überlegen und den ebenso reichhaltigen täglichen
Demütigungen im Rahmen ihrer Familien zu leben haben.
Was sich als handfestes menschliches und soziales Drama im Lauf der Lektüre
entfaltet, komplex verschachtelt ist und nicht immer für einen flüssigen
Leseverlauf sorgt, sondern durchaus auch sperrige Sequenzen in sich trägt.
Gerade weil es so viele verschiedene Eindrücke sind, bei denen es längere Zeit
benötigt, auch nur einigermaßen ein Gefühl dafür zu bekommen, wie das
miteinander und mit der Gewalt an der "Kleinen" in jener Nacht
zusammenhängen könnte. Dunkel und düster wirkt das Leben der Personen im
Buch, eher wie verschiedene Fallstudien in den Raum gesetzt, denn als
durchlaufende Geschichte zu verstehen. Was Vermette sprachkräftig und mit
plakativen Sprachbildern durchaus gelungen in der Düsternis vermittelt, was
aber nicht durchgehend den Leser fesselt, während in anderen Teilen eine
emotionale Dichte entsteht, die dann wiederum nicht einfach zu ertragen ist in
all dem Elend, was sich im Buch findet.
Fazit
So verbleibt am Ende ein intensiver Einblick in das indigene Leben "da
unten" an der sozialen Leiter, dem eine eher durchgängige Grundgeschichte
und eine gewisse Konzentration auf weniger Handlungsstränge aber besser zu
Gesicht gestanden hätte.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 02. April 2019 2019-04-02 15:07:20