Als Elizabeth Keane nach 20 Jahren in New York zum ersten Mal wieder nach Irland
zurückkehrt, hat sie den Eindruck, das Land ihrer Kindheit wäre in ihrer
Abwesenheit geschrumpft. Den Haushaltswarenladen der Familie führen inzwischen
ihre Cousins. Elizabeth wird den Haushalt ihrer verstorbenen Mutter Patricia
auflösen und entscheiden, was mit dem Haus geschehen soll. Als vaterlos
aufwachsendes Kind hatte sie sich früher ausgegrenzt und angestarrt gefühlt.
Patricias eisernes Schweigen über Elizabeths angeblich jung verstorbenen Vater
machte die Sache nicht besser. Auf ihrer Fahrt ins fiktive Buncarragh bei
Kilkenny hatte ich kurz die Hoffnung, Elizabeth Beziehung zu Irland könnte nach
Patricias Tod enger werden als zuvor.
Rückblenden führen in das Leben von Elizabeths Mutter, die jahrelang - statt
wie erträumt zu studieren - ihre eigene Mutter gepflegt hatte und sich danach
als einzige Person ohne Partner wiederfand. Ihre Jugendfreunde waren inzwischen
alle verheiratet. Doch dann überschlugen sich damals im Ort Gerüchte, dass
Patricia überraschend geheiratet hätte und schwanger wäre. Bei ihrer
Rückkehr und auch später spricht sie nie darüber, was in ihrer Abwesenheit
geschehen ist. Bis heute rücken Elizabeths Onkel und Tante nicht damit heraus,
was damals geschehen ist. Dem Geheimnis ihrer Herkunft geht Elizabeth nun in
einem verlassenen Haushalt nach, in dem offenbar 40 Jahre lang nichts mehr
weggeworfen worden war. Hinterlassene Briefe verraten, dass Elizabeths beste
Freundin damals die Idee hatte, eine Kontaktanzeige im Farmers Journal
aufzugeben. Rosemary zu treffen, ist für Elizabeth bereits ein Ereignis, eine
Frau, die vor 40 Jahren beschloss, kein Mann wäre es wert, ihr Leben für ihn
zu ändern. Auf die Anzeige hin muss sich eine Korrespondenz mit dem Landwirt
Edward Foley entwickelt haben. Edwards sorgfältig verfassten Briefe klingen
seriös. Aus heutiger Sicht erscheint es umso sonderbarer, warum Patricia mit
der kleinen Elizabeth wieder in ihren Heimatort zurückkehrte und was sie im
streng katholischen Irland zu verbergen hatte.
Elizabeth wird inzwischen eröffnet, dass sie Edwards Haus auf einer abgelegenen
Klippe an der Küste geerbt hat, aber nicht das dazugehörende Land. Obwohl sie
ursprünglich nur zügig den mütterlichen Haushalt auflösen wollte und schnell
wieder nach New York zurückkehren, begibt sie sich in Foleys Heimatort irgendwo
bei Cork. Eingeleitet mit den nüchternen Kapitelüberschriften zuvor - jetzt -
damals entwickelt sich aus Rckblenden und Begegnungen in der Gegenwart eine
verstörend groteske Geschichte, die eher an einen verzwickten Krimi als eine
Familiengeschichte denken lässt. Verstörender noch als die Realität finde ich
dabei die stringente Logik, nach der die beteiligten Personen handelten. Nur so
und nicht anders konnten sie aus ihrer damaligen Sicht handeln. Elizabeth zeigt
sich eine völlig veränderte Sicht auf ihre Mutter, unter deren Kontrollzwang
sie als Jugendliche gelitten hat. So stark gelitten, dass sie einen Ausweg nur
darin sah, Irland ganz zu verlassen.
Auch wenn ich die Nebenhandlung um Elizabeths Sohn und den Schluss zu
konstruiert finde, lässt Graham Norton hier starke Frauenfiguren
zusammentreffen, deren Tonlage er jeweils exakt und glaubwürdig trifft.
Fazit
Lassen sie sich von den Keanes und den Fowleys überraschen!
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 28. März 2019 2019-03-28 07:11:31