WIR - ein integrativer Begriff! Daran dürfte keiner zweifeln. Aber: wer oder
was sind "WIR" Deutsche? Hieran dürften sich die Geister erheblich
(unter-) scheiden! Für ein neues Wir in "unserem Land", Deutschland,
zu werben, das macht sich der Autor des Buches zur Aufgabe. Warum eigentlich ein
neues Wir?
Als Historiker stellt er schnell klar: WIR Deutsche sind nicht nur diejenigen,
die Flüchtlinge aufnehmen, WIR waren auch Auswanderer! Und: es gab auch in
dieser Richtung vergleichbare Schwierigkeiten, sich den neuen Bedingungen
anzupassen. Nicht jeder mochte die Zuwanderer und stand ihnen skeptische
gegenüber; auch sie wollten gerne in der Ferne "unter sich" leben.
Ein langer Prozess nahm Fahrt auf. Hiervon erzählt Kapitel 1 und im
darauffolgenden Kapitel geht es um die ersten Migranten: es handelte sich um die
DPs (Displaced Persons), die Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Gebieten,
die nun unter fremder Herrschaft standen und in denen die Deutschen nach Ansicht
der neuen Herrscher nichts mehr zu suchen hatten.
Die beiden folgenden Kapitel stellen die Integration der
"Gastarbeiter" in Westdeutschland (alte Bundesrepublik) dar und
schildert zudem den langen Weg zur Erkenntnis, dass Deutschland eben doch ein
Einwanderungsland ist. Ging man zunächst davon aus, dass die Gastarbeiter nach
einigen Jahren wieder zurück in ihr Herkunftsland, ihre alte Heimat kehren
würden (dies wurde sozusagen vorausgesetzt), ergab es sich aber bei einer
großen Zahl, dass sie in Deutschland bleiben wollten und hier Wurzeln
geschlagen haben. Auch die Darstellung der Arbeitsmigration der ehemaligen DDR
findet Platz in dem vorliegenden Werk. Weit weniger an der Zahl als im Westen,
wurden sie mit noch größerer Skepsis beäugt und wurden von den Bürgern der
DDR bewusst separiert. Chancen zur Integration: Fehlanzeige!
Großen Raum nimmt das Thema "Asyl" ein. Wie umgehen mit der enormen
Zahl an Flüchtlingen? Wie lassen sich Unterschiede in der Herangehensweise an
das Thema Migration, insbesondere nach dem Jahr 2015, erklären? Diesen und
andern Fragen widmet sich der Autor aus seiner Perspektive im Kapitel 5. Die
Themen "Spätaussiedler" und Rückkehrer jüdischer
Glaubensgemeinschaft in die neue Bundesrepublik werden ebenfalls eingehend
beleuchtet, bevor Jan Plamper kritische Worte zum Thema
"Willkommenskultur" äußert und die Haltung der Vertreter aus dem
rechten Spektrum "aufs Korn" nimmt.
Fazit
Das Buch von Jan Plamper greift einen Dauerbrenner auf, der sich seit 2015 durch
den massenhaften Zustrom von Flüchtlingen verschärft ins Rampenlicht gerückt
hat bzw. durch die Medien gerückt wurde. Der Umgang mit diesem Thema zeigt, wie
gespalten die Nation auf dies sensible Thema reagiert. Rechtsextreme Gewalt und
ein klarer Aufwind für rechtspopulistische Kräfte sind ein deutlich sichtbares
Signal auf der einen Seite. Viele Millionen Helfer, die sich in den Dienst der
Flüchtlingshilfe stellen, sind ein starkes Signal auf der anderen Seite.
Der Autor beleuchtet das Thema aus verschiedenen Perspektiven und erinnert
gekonnt daran, dass auch Deutsche das Schicksal der Auswanderer und Flüchtlinge
in der Historie Deutschlands teilen mussten. Ein oft vergessener Aspekt in den
aktuellen Diskussionen. Wer glaubt, mit rigiden Massnahmen die Uhren
zurückstellen zu können, täuscht sich aber: das neue Wir hat bereits
begonnen. Viele "Plusdeutsche", also Menschen mit
Migrationshintergrund und deutschem Pass, haben schon längst ihre Wurzeln in
Deutschland geschlagen und sind ein wichtiger Teil der deutschen Bevölkerung
und überdies aus den verschiedensten Gründen aus dem Hier und heute nicht mehr
wegzudenken!
Mit diesem Buch hat Jan Plamper einen "Wach- bzw. Aufrüttler" zur
rechten Zeit verfasst. Im Kern wird ihm der größte Teil "der
Deutschen" ohne weiteres zustimmen können, selbst wenn man den politischen
Schlussfolgerungen des Autoren vielleicht nicht immer folgen mag!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 20. März 2019 2019-03-20 22:32:44