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Kai Bourcade, Karsten Herzmann: Die Scheinkrise

Die Scheinkrise

von Kai Bourcade, Karsten Herzmann
Verlag: Wochenschauverlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-3-7344-0701-7

Preis: 11,39 Euro bei Amazon.de [Stand: 21. November 2024]
Strikt analytisch und mit überraschenden Ergebnissen

Auch wenn die Erkenntnisse der Autoren es nahelegen würden, in den Teil der Wissenschaft und der politischen Haltung einzubiegen, die sich mit Systemkritik und klarer, kritischer Haltung gegenüber der "heiligen Kuh" des immerwährenden "Zwangs zum Wachstum§" beschäftigen, die Autoren umschiffen diese Hürde und bleiben ihrer selbstauferlegten Linie treu, nur Fakten zu präsentieren und damit einem Phänomen auf die Spur zu kommen, dass den Alltag der westlichen Zivilisationen (und vor allem den Duetschlands) intensiv prägt. Das jährliche Starren auf die prozentuale Steigerung des BIP und damit "der Wirtschaft". Wobei das entscheiden Wort "prozentual" ist. Sobald das jährliche Wachstum unter eine bestimmte Quote fällt, falls sogar droht, dass das BIP ein negatives Wachstum (prozentual) verzeichnen könnte, schrillen allüberall Alarmglocken und das Wort der "Krise" geht um, Just übrigens zum aktuellen Zeitpunkt wieder im Verweis auf drohende "Einkommenslöcher durch minderes Steueraufkommen".

Und umgehend werden wieder Reformen beschworen, den Gürtel enger zu schnallen, dass eben alle "Opfer" bringen müssen. Eine Haltung, und das ist das Perfide, das die Autoren aufzeigen, die zur "Dauerhaltung" geworden ist, die seit Jahrzehnten die großen Linien der Politik, aber auch das Selbstgefühl des "Volkes" kennzeichnet (der Erfolg stellt sich nie ein, die Leistung reicht nicht, es geht den Bach herunter, es muss noch mehr an gemeinsamem Opfer eingefordert und an Reformen auf den Weg gebracht werden, damit die "Prozente" am besten nicht unter "2" sinken. Jedes Jahr.

Womit die Autoren dieser Fabel (denn nichts anders ist es letztlich) auf die Pelle rücken, ist die klare Definition, die Hinterfragung und die Realität des "exponentiellen Wachstums". Was ja, schaut man rein auf das prozentuale Wachstum, eine steile Kurve der wirtschaftlichen Entwicklung zur Folge haben müsste nach einigen Jahren, wie beim "Zinseszinseffekt", welcher der eigentliche Motor eines Vermögensaufbaus ist. Die nackten Zahlen aber zeigen: Deutschland hat seit den fünfziger Jahren ein eindeutiges und klares "lineares Wachstum".

"…wuchs die deutsche Wirtschaft in jedem Jahrzehnt um einen weitgehend konstanten Betrag von 300 Milliarden Euro" Egal zu welchen wirtschaftlichen Zeiten, ob Wirtschaftswunder oder stockende Entwicklung, die Kurve zeigt gleichmäßig und gemächlich nach oben.

Wenn man das verstanden hat, dann wird auch klar, warum die Autoren im Titel von "Scheinkrise reden und dies am praktischen Beispiels eines Vergleichs mit der Türkei griffig vor Augen führen: Es kommt eben auf das Level an, von dem man auszugehen hat.

"Wenn man die Türkei um ihre Wirtschaftskraft beneiden würde, ähnelt dies dem Wunsch, mit jemandem zu tauschen, der nur ein Viertel so viel verdient, wie man selbst, dafür aber gerade eine größere Gehaltserhöhung bekommen hat.

Ein Prozent Wachstum macht eben eine ganz andere Summe aus, wenn man weiß, wovon man ein Prozent mehr in der Tasche hat. So führt der ständige Verweis auf die prozentuale Wirtschaftssteigerung nicht nur ein wenig, sondern völlig in die Irre, denn Deutschland hatte 2005 das etwa vierfache BIP im Vergleich zur "Wirtschaftswunderzeit".

Faktisch materiell geht es dem Land somit Bestens. Was kein Grund zur Entwarnung ist, aber die richtigen Fragen stellt: Potentielles Wachstum ist, im Blick auf den Planeten und die Konsumfähigkeit des Einzelnen schlichtweg nicht möglich und kommt real auch nicht vor. Die Fokussierung auf prozentuale Steigerungen lässt den Erfolg nebensächlich kaum in den Blick rücken und verbleibt im "Krisenmodus" und der (durchaus gestalteten) Atmosphäre der Unzulänglichkeit und damit der Furcht vor dem Abstieg. Wem das nutzt und warum das so zentral im Blick der Politik und Wirtschaft steht, daran wäre anzuknüpfen, um ein gedeihliches Auskommen und soziales Leben für alle zu ermöglichen. Wenn dass denn ein Ziel wirklich ist.
Fazit
Eine interessante, erhellende, wichtige und durchaus überraschende Lektüre, in der die Autoren Selbstverständlichkeiten der Betrachtung des Landes kritisch in Zweifel ziehen.
10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne

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Vorgeschlagen von Lesefreund [Profil]
veröffentlicht am 13. Februar 2019

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