An der Schnittstelle von Ordnung und Störung
"Der puer robustus schlägt zu, eckt an, begehrt auf. Er spielt nicht mit,
gibt nicht klein bei, handelt auf eigene Faust, verstößt gegen
Regeln".
Mithin, liest man die ersten Worte der Einleitung, erinnert dies den Leser
umgehend an die seit Jahren anhaltenden Diskussion über das Männerbild, ebenso
wie an vielfache Diskussionen über Jungen an Schulen, die in Gefahr geraten,
gesellschaftlich von den Mädchen abgehängt zu werden, weil eben das Raue,
Robuste, Handgreifliche, zumindest ein stückweit, mit zur Entwicklung von
Jungen hin zu jungen Männern gehört. Ein "Störenfried" also, der
"den Frieden stört" und, in diesem Sinne, gibt es nicht wenige, nun
weitgehend männliche Wesen, die jene "Handgreiflichkeit" und jenes
"Aufbegehren", dass schon zu Grundschulzeiten störend wirkt, auch im
erwachsenen Leben nicht anlegen (hierzu sei der Epilog des Werkes überaus
empfohlen, in dem Thomä fundiert, ein wenig mit Humor, vor allem aber überaus
treffend sich dem konkreten und praktisch vor Augen stehenden Beispiel eines
Donald Trump zuwendet. Nicht das einzige, praktische Beispiel im Buch, aber doch
sehr plakativ, was die Praxis des "puer robustus" im Leben angeht.
Dass dies aber nicht einfach als "spätpubertär" abgetan werden
sollte und kann, dass der "Revoluzzer", der
"nicht-angepasste" Mensch durchaus wertvolle und intensive Impulse
für eine Gesellschaft zu geben vermag, dass es immer, gerade in der politischen
Philosophie, auch um die Balance zwischen nicht-angepasstem Verhalten und damit
Progression einerseits geht, während anderseits ebenso starke Kräfte für
"Ruhe und Ordnung" eintreten, das liest sich in diesem breit
angelegten Werk sehr interessant und bietet einen ebenso erkenntnisreichen roten
Faden durch die Philosophiegeschichte im Blick auf den "puer
robustus", beginnend bei Thomas Hobbs und dessen Definition.
"Er hat das Zeug dazu, eingespielte Denk- und Handlungsmuster zu
verschieben und die ganze Szene zu verwandeln".
Was einerseits durchaus ja als positiver Impuls je verstanden werden kann, mit
der Gefahr allerdings, eines reinen "kaputt-machens" um des eigenen
Egos wegen. Ob nun ein solcher "Störenfreid" letztlich befruchtend
oder bedrängend wirkt, dass, so legt Thomä ebenfalls offen, ist auch eine
Frage der Umstände und der gesellschaftlichen Stabilität. Was für die
Gegenwart ein eher schlechtes Licht auf jene Stabilität wirft, schaut man an,
wie weitereichend "robuste Jungen" die Weltpolitik in eine nicht mehr
förderliche, sondern gefährliche Schieflage bringen.
So erklärt sich unter anderem auch, mit welchen Bezeichnungen solche Charaktere
benannt werden. Barbar oder Narr, Trittbrettfahrer oder Künstler, Dickschädel
oder Leichtfuß, Räuber oder Retter, es liegt eben nicht zuletzt im Auge des
Betrachters (und natürlich der konkreten inhaltlichen Ausrichtung des
Störenfrieds), unter welche Kategorie solche einsortiert werden.
Widersprüchlich und widerspenstig, diese Kerneigenschaften verhindern es
ebenfalls, eine saubere Kategorisierung vorzunehmen, den "puer
robustus" allein schon begrifflich genau zu differenzieren.
"Der puer robustus ist unterwegs, er weiß nicht, wo er morgen sein wird
und wer er morgen sein wird". Genau das macht ihn ja so unberechenbar,
gefährlich und wertvoll zugleich. Was Thomä durchaus geschickt durch die
Einführung der Kategorien "Störenfried" (mit durchaus positivem
Anklang" und "massiver Störenfried" (im Bereich des Radikalen,
des völlig Un-Empathischen, des "Ich" gegen den Rest um jeden Preis).
Wobei im Gesamten Thomä doch eine nicht zu knappe Lanze für eine positive
Betrachtung von "Störenfrieden" bricht, ohne in Abrede zu stellen,
dass ab dem Überschreiten einer bestimmten Grenze klarer Widerstand gegen rein
egomanen Populismus und Verhalten richtig und nötig ist.
Fazit
Eine breite und fundierte philosophiegeschichtliche Herangehensweise, in der die
Grenze zwischen Ordnung und Störung erfasst und inhaltlich dem Leser die Psyche
und die gesellschaftliche Bedeutung jener "robusten Jungen" umfassend
erläutert wird.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 05. Februar 2019 2019-02-05 12:33:58