Matthew Richardson konnte 2017 vermutlich nicht ahnen, wie aktuell sein
Spionagethriller heute sein würde, in dem ein Verdächtiger im Verhör durch
den britischen Secret Service in Istanbul gefoltert und anschließend schwer
verletzt irgendwo ausgesetzt wird. In der Folge wird der MI6-Mitarbeiter Solomon
Vine vom Dienst suspendiert und damit sein Zugang zum beruflichen Netzwerk
gekappt. Ein abgekartetes Spiel, um Vine abzusägen? Der Verdächtige Yousef
Ahmed ist Brite mit exzellenten Verbindungen in den Nahen Osten und wird
verdächtigt, Kontakt zu einer islamistischen Gruppe zu haben, die im syrischen
Bürgerkrieg aktiv ist. Geheimdienste stellen Experten wie Ahmed aufgrund ihrer
Landes- und Sprachkenntnisse ein – und können sich dabei selten sicher sein,
dass ihre Mitarbeiter nicht einem weiteren Auftraggeber dienen. Um den Fall
aufzuklären und sein berufliches Ansehen wieder herzustellen, muss Solomon Vine
ein konkretes Rätsel lösen um eine Figur, die sich "Niemand" nennt,
und das ihm in einem Buch überbracht wird. Vine ist überzeugt davon, dass der
Entwickler des Rätsels genau weiß, was ihn, Vine, antreibt, wie er als Agent
tickt. Was du weißt, wird dich verraten, und so verrät die Art des Rätsels
Vine möglicherweise zu viel über dessen Entwickler. Namen wie Vine, Wilde und
Woods wirken verdächtig pflegeleicht. Der Autor hat sie sicher nicht aus
Rücksicht auf seine ausländischen Leser gewählt. Ihre Wahl verdeutlichte hier
schon bald, dass Richardsons Figuren gewöhnt sind, Namen und Identitäten
häufig zu wechseln und zu diesen Figuren zu werden.
Matthew Richardson entwirrt seine Geschichte in Rückblicken und dringt damit
tief in die Biografie und die Psyche seiner Protagonisten vor. Die Enthüllung
einer möglichen Intrige beim britischen Auslandsgeheimdienst MI6 scheint
streckenweise in den Hintergrund zu treten vor der psychologisch
hochinteressanten Frage, wer dieser Solomon Vine ist, auf welchem Weg er als
junger Mathematiker in den Dienst des MI6 gelangte, welche Art Beziehung er
eigentlich zu seiner Studienfreundin Rose hat und in welchem beruflichen Netz
Rose aktiv ist.
Fazit
"Niemand kennt deinen Namen" verknüpft die Thematik rechtsfreier
Räume in der Welt der Geheimdienste mit aktuellen Ereignissen dieses
Jahrtausends. Faszinierender als den aktuellen Bezug fand ich jedoch den
Rückblick in Solomon Vines persönliche Entwicklung als Agent und empfehle den
Thriller deshalb gern.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 21. Dezember 2018 2018-12-21 09:53:30