Der Mainzer Historiker widmet sein vorliegendes Buch einer hochaktuellen
Problematik: wie ist die Stellung Deutschlands in den weiteren Entwicklungen
Europas zu sehen? Eine schwierige Frage, auf die es keine einfachen Antworten
gibt, dafür aber viele interessante! Die Stellung Deutschlands nach der
Reichsgründung 1871 wurde von den Nachbarn mit Argusaugen betrachtet. Ein
Koloss aufgrund wirtschaftlicher und oftmals auch militärischer Stärke. Die
Erwartungen an diese europäische Zentralmacht waren ebenso groß, wie zugleich
auch die Skepsis bis hin zur Angst vor Deutschland. Der Autor gliedert den
Inhalt folgerichtig in verschiedene historische Epochen: Beginnend mit der
Reichsgründung bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Jahre 1914 schildert
er einen schwierigen Weg, in dem das neu gegründete Reich auf der Suche nach
seinem Platz im Gefüge der traditionellen europäischen Mächte sucht.
Einerseits hoch geachtet und bewundert, andererseits begleitet von einem hohen
Maß an Skepsis und Abgrenzung.
Die unrühmliche Epoche der beiden Weltkriege (1914-1945) werden im
darauffolgenden Kapitel betrachtet. In dieser Zeit "verspielt"
Deutschland seine Sympathien. Mehrfach tritt es den Nachbarstaaten gegenüber
aggressiv auf und verursacht unsagbares Leid, hieran kann auch das
zwischenzeitlich vorsichtig aufflackernde Demokratie in den Jahren der Weimarer
Republik nichts ändern. Die Uhren stehen auf Null - Deutschland am Boden. Es
hat zahlreiche Staaten der Welt und ganz Europa, ebenso wie sich selbst, an den
Rand des Abgrunds und der totalen Vernichtung geführt. Wie umgehen mit diesem
besiegten Land? Eine Frage die sich die siegreichen Alliierten und die deutsche
Bevölkerung aus unterschiedlichen Perspektiven gleichermassen stellten. Es
begann ein Weg, der zur Spaltung des Kontinents und der Welt in zwei
Machtblöcke führte. Der Weg beider deutscher Staaten und deren Einbindung in
die beiden konträren politisch-ideologischen Blöcke wird eindringlich
beschrieben und am Ende dieses Kapitels steht eine jähe und kaum für mögliche
gehaltene Wendung: Die Wiedervereinigung Deutschlands läutet das Ende des
Kalten Krieges ein.
Der schwierige und mit einem hohen Maß an Skepsis begleitete Weg des
wiedervereinten Deutschlands betrachtet Rödder im IV. Kapitel. Die Deutschen
müssen sich als Nation quasi neu erfinden, verliefen die Lebensgeschichten der
Bürger doch in sehr unterschiedlichen politischen Regimen, die -wen wundert es-
zu sehr unterschiedlichen Betrachtungsweisen für das Alltagsleben mit den
hieran geknüpften Erwartungen führte. Ein Weg mit Auf und Ab, und: er ist bis
heute nicht abgeschlossen. Auch hier fehlt nicht die Außensicht der
Nachbarstaaten in Europa. Auch hier paaren sich Skepsis und Hoffnung,
gelegentlich auch Forderungen und Erwartungshaltungen, die schwierig in Einklang
zu bringen sind, trotz sich erweiternder Gemeinsamkeiten in Form einer
Europäischen Union. Ein Resümee der bisherigen Ausführungen, verbunden mit
einem Blick in die Gegenwart und eine Vorausschau in die Zukunft beringt das
abschließende Kapitel: "Wer hat Angst vor Deutschland?"
Fazit
Ein kompaktes Werk mit hohem Anspruch zu verfassen ist wahrhaft kein leichtes
Unterfangen! Andreas Rödder ist es aus meiner Sicht hervorragend gelungen! Aus
historischer Perspektive bestens durch Quellenmaterial unterfüttert und aus
aktueller politischer Sicht argumentativ gekonnt formuliert, entwickelt Andreas
Rödder eine Vision für Deutschlands Weg in die Zukunft als wesentlicher Teil
eines starken Europa. Diesem Anspruch zu genügen bedeutet klare
Zielvorstellungen zu haben, selbstbewußt aufzutreten, ohne die historischen
Befindlichkeiten und die Sichtweisen der europäischen Nachbarn aus dem Auge zu
verlieren oder gar zu missachten. Der Janusblick ist stets in verschiedene
Richtungen nach außen gerichtet - der Blick nach innen soll und darf hierbei
jedoch nicht verloren gehen. Eine Herkulesaufgabe.
Die stichhaltige und dennoch gut lesbare Form des Schreibens motiviert den Leser
nachhaltig sich mit diesem hochaktuellen Thema weiter zu befassen. Es motiviert
zur Suche nach Fakten und Argumenten über das vorliegende Buch hinaus und es
lädt zum Mitdenken ein. Mehr kann und darf man von einem modernen Sachbuch zu
einem nicht ganz einfachen Thema wahrhaft nicht erwarten - absolut lesenswert!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
[Profil]
veröffentlicht am 01. Januar 2019 2019-01-01 18:38:21