Intelligent verschachtelt
Es braucht schon Konzentration bei der Lektüre dieses Science-Fiction-Thrillers
mit Anleihen auch bei der Horror Literatur. Denn dem Blockbuster
"Inception" nicht unähnlich ist es lange eine gewisse Frage, was
"dingliche Realität" im Roman ist und was "virtuelles
Erleben". In einer Welt, in der das "Digitale" verpönt ist, die
Weltbevölkerung nach Jahren der digitalen Wirtschaft mit ihren Auswüchsen und
vielfachem Datenmissbrauch revoltiert hat gegen die digitalen Weltkonzerne und
zum rein analogen Leben zurückgekehrt ist. Schlüssel und Schlösser statt
"Key-Cards", gut alte Aktenarbeit statt Datenbanken bei den
Ermittlern, keine Handys mehr, das "Omega" als einflussreiche
politische Strömung hat (und ist weiterhin bereit), "ganze Arbeit" im
Zuge der Ausmerzung technologischer Höhenflüge und digitaler Abhängigkeiten
zu vollziehen.
Doch, wie in jenem berühmten "kleinen gallischen Dorf", im
"Valley" (nicht "Silicon" im Roman, sondern "Green
Valley") überlebt seit der analogen Wende (in der Gegenwart des Romans
sind erst 12 Jahre seit dieser vergangen) einer der alten Tech-Konzerne in einer
nach außen hin abgeschlossenen, von hohen Mauern umgebenen, "freien
Zone". Was alles eine gewisse Balance bekommen hat, wobei die polizeilichen
Ermittler der "neuen analogen Welt" schon vieles versuchen, an genaue
Informationen über das zu gelangen, was an neuer Technik und nun unstatthafter
Lebensweise im Green Valley vorgeht. Die Polizistin Lucie ist dabei auf
besondere Art und Weise mit der "Gegenwelt" im Valley verbunden. Ihr
ehemaliger Ehemann ist eine Art "Gemeindeleiter" der letzten digitalen
Gemeinschaft in zumindest weitem Umkreis. Und als die gemeinsame, 9jährige
Tochter, die bei ihrem Vater lebt, verschwindet, macht Lucie sich auf hinter die
Mauer des Valles.
Dass dabei Nano-Bots ebenso implantiert werden wie ein Gerät zum völligen
Eintauchen in die dort herrschende virtuelle Realität, das neben den alten
Fassaden und Avataren, mit denen die Einwohner im Valley ihren täglichen Dingen
nachgehen auch noch eine andere, schwierige, erschreckende Ebene (und Wahrheit)
hinter der digitalen Fassade lauern könnten, dass ahnt Lucie spätestens, als
sie im Valley einen Alptraum erlebt. Oder wie sonst wäre zu verstehen, dass sie
sich an den Füßen aufgehängt in misslicher Situation wiederfindet?
Und das eigentlich Erschreckende ist, dass auch nach der Rückkehr in die
"reale, analoge" Welt Visionen, flackernde Lichter, Schafe an der
Decke ihre Sinne malträtieren. Bis sie, wie auch der Leser, sich ernsthaft
fragen muss, was da eigentlich vorgeht, wo genau sie sich (genauer: ihr
Körper) sich befindet und was all die bedrängenden, erschreckenden, blutigen
Bilder in ihrem Leben nun zu bedeuten haben.
Wobei sich Greenberg, und das ist ganz gut, Zeit nimmt. Für seine Personen,
für die verschiedenen Haltungen, für das "gedämpft werden" durch
die digitale Technologie, und ebenso seine Wurzeln im Horror-Bereich nicht
verleugnet, sondern das Tempo immer wieder erhöht und die Spannung steigert
durch Gestalten und Situationen, die Lucie durchaus zu Recht an ihrem Verstand
zweifeln lassen. Was allerdings eine konzentrierte Lesehaltung zumindest in
Teilen des Thrillers erfordert, denn schnell überliest man eine Kleinigkeit und
könnte damit direkt einen wichtigen Faden der Erzählung übersehen.
Fazit
Die ein oder Länge und hier und da ein zu viel an Verwirrung nimmt man zudem im
Gesamten auch in Kauf, da die Grundidee des Thrillers und die detaillierte
Ausführung durchweg neugierig halten, was genau hinter all dem steckt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 29. November 2018 2018-11-29 13:58:46