Authentisch
Vieles erzählt Michelle Obama frank und frei in ihrer Autobiographie. Lustiges
und anrührendes, dramatisches (die Fehlgeburt) und belastendes (die Politik und
ihre Umgangsformen), ihre Beziehung zu Barack, die Liebe zu ihren Töchtern, die
Zeit der Entwicklungen, die, folgt man Michelle Obama, eine lebenslange ist.
Daher ist der Titel, den die ehemalige First Lady gewählt hat, genau passend:
"Werden". Und das in einer Art "frei von der Leber weg", die
schon in den Formulierungen und der sich durch das Buch aufbauenden Atmosphäre
(wieder einmal) bedauern lässt, dass dieses anregende, liberale, kluge Ehepaar
nicht mehr in politischen Spitzenämtern zu finden ist, mehr noch, die
Ergebnisse der Arbeit des ehemaligen Präsidenten der USA mit aller Kraft wohl
torpediert und abgebaut werden sollen.
So ist es wie eine Vorahnung oder wie eine vorweggenommen
"Zusammenfassung" dessen, was aktuell zu beobachten ist, wenn Michelle
Obama auf den Hurrikan Katrina ins Jahr 2005 zurückblickt und formuliert:
"Auf herzzerreißende Weise traten dabei die strukturellen Spaltungen
innerhalb Amerikas zu Tage, insbesondere die enorme, einseitige Verwundbarkeit
von Afroamerikanern und Armen jedweder Hautfarbe, wenn es hart wird".
Dies stellt natürlich nur einen kleinen Teil des Rückblicks auf ihr Leben im
Werk dar, dennoch wird hier und an vielen anderen Stellen überdeutlich, wofür
"die Obamas" stehen. Und was das Gegenteil dessen wäre, wie man in
der gegenwärtigen Politik ablesen kann. Grenzen überwinden, Spaltungen
versuchen, zu verringern, das Leben für alle ein stückweit erträglicher und
hoffnungsreicher gestalten. Was gerade in einer Nation wie der der USA mit ihren
schroffen Abständen und ihrer offenkundigen Fixierung auf den materiellen
Erfolg auf politisch teils erbitterten, prinzipiellen Widerstand getroffen ist.
Von dem Michelle Obama mit ganz eigenem Blickwinkel ebenfalls vielfach zu
erzählen versteht.
Natürlich kann man all das auch nur für ein kluggewähltes "Image"
halten. Dem allerdings die enorme Sympathie gerade für Michelle Obama in den
USA und darüber hinaus widerspricht. Denn solch einen Zuspruch erhält man in
der Regel nicht unbedingt dafür, eine geschickte Rolle zu spielen und eine
solche Rolle würde auch bedeuten, diese über Jahre hinweg widerspruchsfrei
"aufführen" zu können. Das aber mag jeder Leser für sich
entscheiden, wichtiger ist die Hoffnung, die aus den Worten Michelle Obamas
vielfach zu spüren ist, den nach vorne gewandten Optimismus trotz oder gerade
angesichts der vielfachen Gefahren und der sich weiter verbreitenden Auflösung
eines solidarischen Miteinanders. Das immer und überall auch unter Spannung
stehen wird. Was menschlich ist. Wie Michelle Obama auch in den Teilen des
Werkes ehrlich vor Augen führt, die sich mit den privaten Dingen, der Ehe, den
Reibungen der Eheleute und vielen anderen Einblicken in dieses Leben
beschäftigen.
Fazit
Eine lohnenswerte Lektüre.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 19. November 2018 2018-11-19 15:14:11