Aus dem Leben heraus mit Herz geschrieben
"Ein Großteil der Pflege besteht darin, für Reinlichkeit zu sorgen"
- so hat es Florence Nightingale propagiert und dem könnte Watson ja auch
durchaus zustimmen. Theoretisch.
"….obwohl es wenig tröstet, wenn Pflege anscheinend im Wesentlichen
daraus besteht, Körperflüssigkeiten zu beseitigen". Ob Blut von Wänden
und Böden, harter Kot von Säuglingen oder andere Hinterlassenschaften von
Patienten, Ärzten, Operationen, Übelkeiten und vieles mehr. Erfahrungen aus 20
Jahren Arbeit als Krankenschwester und damit in der Pflege und medizinischen
Versorgung von Menschen. 20 Jahre, die dem Leser nun einen intensiven Einblick
in den Alltag der Pflege vermitteln, aber auch, und das ist der eigentliche
Gewinn der Lektüre, immer wieder an den Kern dessen rühren und gehen, worum es
eigentlich gehen sollte.
Nicht um Technik, Handreichung, Funktion, Effizienz (was durchaus auch alles
seine Berechtigung hat, aber eben nur die äußeren "Formen" der
Tätigkeit beschreibt. Zuwendung, Menschlichkeit, das ist, was Watson vor Augen
rückt. Wieder einmal, könnte man sagen, aber durch häufigere Wiederholungen
wird dieser Kern des Berufs und der Pflege von Menschen ja nicht unwahr, sondern
eher eindringlich geschärft.
Zu einer Zeit, in der genau dieser Kern verloren zu gehen scheint.
Personalmangel, auf spitze Nadel gestrickte Mitarbeiterstrukturen, im Vergleich
zu anderen Berufen (und was die zentrale Bedeutung der Krankenpflege für jeden
betrifft, denn jeder wird im Leben, zumindest zu dessen Ende hin, Krankheiten
erleben und hier und da hilflos nach Eingriffen oder durch Schwäche in einem
Krankenbett sich einfinden) miserable Entlohnung bei zugleich ständigem Stress
und dauernd winkenden Überstunden.
Fazit
"Pflege bedeutet, für Menschen das zu tun, was sie normalerweise selbst
tun würden" (und aufgrund der Intimität dieser Verrichtungen auch fast um
jeden Preis eigentlich lieber selber tun würden). Es ist aller Ehren wert
dabei, dass sich Watson ihr "Herz" selber durchgehend bewahrt hat. Und
einfach kann das nicht gewesen sein, liest man die vielen Einsichten in die
Praxis der Krankenpflege, die Watson im Buch bietet. Und damit schlussendlich
eine große Lanze für den Beruf und jeden und jede im Beruf Tätigen bricht.
Da ist es im Übrigen hilfreich, sich das Buch der "Bullshit-Jobs"
einmal näher anzusehen, um im größerem Zusammenhang zu begreifen, dass im
System vieles nicht in Ordnung ist, wenn man die Notwendigkeit und Wichtigkeit
der Krankenpflege in Relation setzt zur gesellschaftlichen Anerkennung und
schlichtweg zur Entlohnung. Denn jeder und jede, die hier weiterhin den
Berufstand "unten" zu halten gedenken oder schlichtweg nicht genug
innerlich würdigen, werden ihre Meinung sicherlich auch noch radikal ändern,
wenn sie selbst am eigenen Leibe erfahren, dass man das eigene Leben an
bestimmten Punkten aus Krankheit heraus jemand anderem ein stückweit
anvertraut.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 12. November 2018 2018-11-12 12:50:17