Kongeniale Biografie im perfekten "Schnodderton".
Man hat es von der ersten Zeile an plastisch vor Augen stehen. Udo erzählt.
Hier und da ein kleiner Eierlikör und eine gute Zigarre, vielleicht in der Bar
des Hotel Atlantic, vielleicht im Fond seines Porsches auf dem Weg durch die
Nacht und Hüeterlin formuliert mit im vorgegeben Duktus und schreibt. Und das
so nah am Original, dass man zumindest sprachlich von einer Art Symbiose
sprechen kann. Was weniger die häufige Nutzung von Lindenbergs bekannten
"Wortschöpfungen" betrifft, sondern den gesamten Grundton dieser
Biographie meint.
Eine Lektüre, die einfach flutscht, nie hakt, überuas flüssig daherkommt, wie
Udo selbst die privaten Dinge am Rande miterwähnt (wie die Beziehung zu Tine
Acke, aber dies nur sehr diskret andeutet, während die prallen
Lebenserfahrungen Lindenbergs ungeschminkt Gehör finden. Was auch den
Alkoholismus angeht, das Aufwachsen im alkoholgeschwängerten Umfeld, die enge
Verbindung zu den beiden Geschwistern, der harte Moment, als sein Bruder starb,
der zeitweise Verlust seines "Panik-Orchesters", das Herabgleiten
einer kulturell prägenden Karriere.
Da ist es gut, dass das Buch mit dem aktuellen Udo beginnt. Der sich bei seinem
"Body" bedankt, der Stadien füllt, der fast alle alten Weggefährten
wieder an seiner Seite versammelt hat und eine lebensweisheitliche Tiefe
inzwischen erreicht, die seinen Erfolg auf festen Boden stellt. Das Verhältnis
zu Honecker und der DDR? Onkel Pö? Die berühmte Hamburger WG, das Leben in der
Nacht, die kumpelhaften Freundschaften des "Lebensfreude-Kongresses"
mitsamt der Kunst, hilfsbereit zu sein und zu bleiben ohne sich
"abziehen" zu lassen. Wobei ebenso klar und gut erkennbar während der
gesamten Lektüre deutlich wird, dass in dem erwachsenen und seiner selbst nun
sicheren Mann immer noch das "große Kind" aus Gronau sein Wesen
treibt.
Eine Nähe, die vielleicht nicht immer einfach war, stellt man sich den
ernsthaft malenden Bruder ohne durchschlagenen Erfolg vor, der schon auch nicht
einfach zu verdauen hatte, dass Udo "mit links" durch
"Likörellen" die Galerien mit seinen dahingeworfenen Bildern ohne
größere Anstrengungen füllte. Durch die vielfach vor Augen geführten Texte
und die ruhigen Erläuterungen der Hintergründe beim Entstehen zeitloser Songs
erhält der Leser zudem ungefilterten Einblick in die Schaffensweise
Lindenbergs, während er Station für Station, Hallen und Stadien, private
Dramen und Abstürze bis hin zum Wideraufstieg des "Phoenix"
unterhaltsam und mit Tiefe versehen miterlebt.
Fazit
Alles in allem eine wunderbare, den Ton und die Person bestens treffende,
Biographie über einen Mann und Musiker, der eines immer war: sich selbst treu.
Ohne Anbiederung und ohne Dieter Thomas Heck.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 29. Oktober 2018 2018-10-29 15:16:11