Schlägt man einen Roman von dem französischen Schriftsteller Gregoire
Delacourt auf, so entfaltet sich sofort ein Gefühl von ganz besonderer
Literatur. Das hat er in der Vergangenheit mehrfach bewiesen und auch die
jetzige deutschsprachige Fassung aus dem Hoffmann und Campe Verlag steht dem
nicht nach.
Emmanuelle ist fast Vierzig, 18 Jahre davon verheiratet und hat zwei Kinder. Sie
erzählt von einer ungewöhnlichen Begegnung. Sie erzählt von einem fremden
Mann. Sie versucht, vor ihm zu verbergen, dass sie ihn beobachtet, dennoch sucht
sie immer wieder den Ort auf, an dem sie ihn zum ersten Mal traf. Irgendwann
begegnen sich ihre Augen, irgendwann lädt er sie zu Essen ein. Sie weiß nicht,
wie ihr geschieht. Sie liebt doch ihren Mann, sie liebt ihre Familie. Warum
fühlt sie sich zu diesem fremden Mann, der mittlerweile kein Fremder mehr ist,
hingezogen? Dann beschließen beide, gemeinsam fortzugehen und ein ganz neues
Leben zu beginnen. Doch da passiert das Unfassbare und das Leben bekommt
tatsächlich eine Wendung.
Faszinierend an diesem Roman ist seine Montage und der gesamte Stil, auf den der
Autor ein besonderes Augenmerk gelegt hat. Die Geschichte von Emma wird
zunächst in drei Teilen erzählt, wobei die Kapitelzählung im ersten Teil
rückwärts verläuft bis zu dem Zeitpunkt, der einen Wendepunkt im Leben der
Protagonistin darstellt. Ab dann wird vorwärts gezählt. Die Kapitel enthalten
manchmal nur einen oder zwei Sätze, die mit Metaphern oder Zitaten gefüllt
sind. Der Geschichte "Die Ziege des Monsieur Segiun" von Alphonse
Daudet kommt dabei eine besondere Rolle zu. Sie ist im Anschluss des Romans
deshalb noch mal komplett abgedruckt. Die Perspektive aus der Sicht der
Protagonisten schafft eine ganz besondere Nähe zum Leser. Man hat das Gefühl,
Emmanuelle mindestens genauso gut zu kennen wie das ihre Freundin Sophie tut.
Jeder der drei Teile vermittelt einen eigenen Spannungsbogen durch einen anders
gearteten Konflikt, dessen Lösung man unbedingt erfahren möchte.
Fazit
Ein dramatischer und hinreißender Liebesroman, der nicht nur durch seine
Erzählweise sondern auch durch seine Tiefe besticht.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
[Profil]
veröffentlicht am 23. Oktober 2018 2018-10-23 16:12:04