Ein Blick auf die Arbeitswelt aus interessanter Perspektive
Neben dem soeben erschienen "Bullshit-Jobs" finden sich natürlich,
Zeichen der Zeit, vielfache andere, kritische Betrachtungen der modernen
Arbeitswelt. In denen es, wie im vorliegenden Werk, nun deutlich weniger um eine
"innere Sicht" der Arbeit geht (wie kann man diese effektiver machen,
wie kann man selbst sich im Rahmen seiner Arbeit erfüllend Verhalten und
Einbringen, etc.), sondern um eine grundlegende, kritische Betrachtung der
Struktur der Arbeit und der Formen der Arbeit in der Gegenwart selbst. Wobei
Tobi Rosswog in seinem schmalen Band keineswegs zu kurz greift oder die Dinge
nur komprimiert darstellt, sondern in sehr erfrischender, am Ende aber sehr
nachdenklich zurücklassender Weise, viele "Mythen der Arbeit"
hinterfragt und mit überaus einfach nachzuvollziehenden Gedanken neue Wege
nicht nur anregt, sondern nachgerade heftig anstößt.
Denn eines ist sicherlich offenkundig: Die (ehemalige) Prognose, dass durch die
Technisierung der produzierenden Abläufe die Netto-Arbeitszeit des Menschen in
der Arbeitswelt stetig sinken müsste, ist so nicht eingetreten. Obwohl, wie
auch Rosswog und viele andere aufweisen, die Voraussetzungen durch
Rationalisierungen durchaus so eingetreten sind, wie etwa ab der Mitte des 20.
Jahrhunderts auch propagiert wurde. Dennoch tritt eher das Gegenteil ein. Wer
sich noch in "Lohn und Brot" befindet, weiß eher von immensen
"Arbeitszeitverdichtungen" zu berichten, statt von Lockerungen,
weniger Wochenstunden bei vollem Lohausgleich und deutlich mehr selbstbestimmter
"Frei-Zeit".
"Doch darum geht es hier nicht. Vielmehr geht es mir um eine Welt, in der
wir nicht mehr arbeiten müssen und stattdessen endlich tätig sein dürfen –
eine Gesellschaft nach der Ära der (Lohn-) Arbeit".
So das erklärte Ziel Rosswogs, das er spielerisch, aber mit guten Argumenten
und interessanten Gedanken-Wendungen zumindest soweit im Buch erreicht, den
Leser hochgradig interessiert und nachdenklich zurückzulassen. Könnte es sein,
wie auch in "Bullshit-Jobs" erläutert, dass die Zeitverdichtung und
die ständige Notwendigkeit zur Lohn-Arbeit in der Gegenwart strategisch gewollt
ist und nicht mehr sachlich unbedingt nötig wäre? Wenn die
"Maschinen-Besitzer" die Effektivität der Herstellung teilen würden,
statt die sich erhöhende Rendite "für sich zu behalten"?
Wenn doch jetzt bereits ein hoher Teil der Arbeitskräfte, und in Zukunft bis
zur Hälfte der aktuell Beschäftigten, durch "Computer und
Algorithmen" ersetzt werden könnte? Und warum ist es ein so
"händeringendes", scheinbar alleiniges Anliegen der Politik,
"neue Arbeitsfelder zu erschließen"? (was Rosswog mit einem simplen
"Warum (tun die das) eigentlich?" kommentiert). Was im Gesamten
übrigens fast zwangsläufig, nicht nur bei Rosswog, zu zumindest einem
ernsthafteren Bedenken als aktuelle sichtbar im Sinne eines bedingungslosen
Grundeinkommens führt. Finanzkraft wäre zumindest genügend und reichlich auf
dem Planeten vorhanden. Mit dem Ausblick auf eine "intrinsische
Motivation", die Menschen durchaus ja tätig werden lassen, auch außerhalb
einer "Lohn-Arbeit" Struktur.
Wie wäre es denn, wenn man sich dem System "nicht mehr beugen muss, um ein
gutes Leben führen zu können", sondern Systeme denkt und erschafft (was
Zeit brauchen wird und ein radikales Umdenken), die dem Zwecke eines "guten
Lebens" a priori dienen, statt einer Rendite für wenige nachzujagen? Ganz
praktische Vorschläge legt Rosswog dem Leser bereits jetzt im Buch an die Hand,
um dann durchaus auch "große Visionen" einer Gesellschaft
"jenseits der Arbeit" fundiert vor Augen zu legen.
Fazit
"Viele mögen das als Science-Fiction abtun". Aber tatsächlich wären
die technischen Voraussetzungen schon vorhanden. Wenn man diese nutzen wollte.
Was sich durchaus als Frage stellt, wenn Rosswog sachlich und nüchtern
aufzeigt, dass bei Weitem nicht jede Arbeit auch "förderlich" für
den Menschen ist, sondern gar auf psychischer und physischer Ebene für eine
Vielzahl von Krankheiten sorgt. Eine anregende Lektüre, selbst wenn man Rosswog
nicht in jeder Weise zustimmt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 17. Oktober 2018 2018-10-17 10:56:23