Herausforderndes Debüt
"Ezra Blazer, bedauern Sie irgendetwas"? Dass wir beide uns nicht
früher kennengelernt haben…..Ich finde, Sie sind eine sehr attraktive
Frau….ich darf nur eine einzige Frau mitnehmen und wünsche mir, dass Sie
diese Frau sind….".
Klar ist das Radio-Interview am Ende dieses fulminanten Debütromans erfunden,
aber in bester Weise lässt Lisa Halliday ihre Figur des alternden
Schriftstellers Ezra Blazer noch einmal funkeln und glänzen und schließt damit
den Kreis zum Anfang des Werkes, in dem jener Blazer der 27-jährigen Alice
ebenso klar und direkt den Hof macht. Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden,
dass ein "Nein" folgen könnte, ohne "seinen Rücken zu
schonen" im Bett dann, ohne an sich selbst allein schon ob das
Altersunterschiedes zu zweifeln. Und auch wenn die Moderatorin verheiratet ist
und zwei Kinder hat, wenn gerade das Interview in Echtzeit über den Äther
geht, Blazer kennt da nichts, wenn seine Lenden sich regen.
Ebenso, wie er zu Zeiten Alice zu jeder Zeit angerufen hat, mit unterdrückter
Nummer. Und Alice umgehend immer den Hörer abhob. Bis, Ja bis… auch hier eine
Entwicklung einsetzt. Erkannt wird, dass man nicht einfach Opfer der Umstände
oder von Zwängen ist, sondern in seinem "so sein, wie man nun mal
ist" eigene Farbtupfer und andere Richtungen einbauen kann. Denn das Leben
ist zu kostbar, um es von einem anderen dauerhaft alleine bestimmen zu lassen,
gerade wenn jener andere so ungreifbar, so nicht festgezurrt, so nur auf sich
selbst fixiert eine Beziehung gestaltet, eben ohne sie zu gestalten.
Eine Erkenntnis, die auch Amar in ganz anderer Form für sich auf dem Flughafen
in London bewegen wird. Aufgrund unglücklicher Umstände kann er dort nicht,
wie geplant, umsteigen auf dem Weg in den Irak und auch nicht das Land betreten.
Über ihn bestimm kein alternder Schriftsteller, sondern ein britischer
Zollbeamter, aber dennoch wird über ihn bestimmt. So wie scheinbar alle
Beziehungen nicht "symmetrisch sind". Was Halliday spielerisch (wie so
vieles im Roman) wunderbar als Thema einbringt.
"Über ihrem Pullover legte er Alice eine Hand auf jede Brust, als wollte
er sie zum schweigen bringen. "Die hier ist größer"…. "Nein,
nein, das ist kein Makel, es gibt kein völlig gleiches Paar"". Was
eben nicht nur Brüste angeht. Was auch Amar betrifft. Und seine Beziehung zu
seiner Freundin, die in Auflösung begriffen ist. Und seine Familiengeschichte,
im Irak, wo zerschossene Augen und tote Besucher (einfach so getötet) genauso
im Raum stehen, wie unmotiviert entführte Familienmitglieder, weil Entführung
eine gangbare Form des Geldverdienens wohl dort geworden ist.
Da kann der Mann noch so sehr seine Doktorarbeit über
"Risikoaversion" schreiben, die Asymmetrie des Lebens lässt so etwas
einfach nicht zu. Wohl aber, und das hat Amar erkannt, kann er selbst gläubig
verbleiben und dennoch auch als Moslem an eine Ebene freier Entscheidungen
glauben, die nicht als Schicksal festgelegt sind. Auch nicht, was seine Stellung
als Migrant in Amerika angeht. Wo er auf nun Symmetrie hofft, da ein
"Schwarzer Präsident werden wird".
Fazit
So kreist der Roman, sprachlich dicht und überaus anregend und flüssig zu
lesen, zwischen den Polen der "Gebundenheit" und der "eigenen
Freiheit zum eigenen Leben" mit einem intensiven Ausflug in die Welt
zwischen diesen Polen, die nicht umsonst an einem Flughafen stattfindet. Der
zwischen den Zielen in der Regel liegt und eine Etappe darstellt.
Eine hervorragende Lektüre.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 26. September 2018 2018-09-26 11:57:07