"Herr, was für Narren sind doch diese Sterblichen!"
Puck. Ein Sommernachtstraum
Bernard Cornwell führt seine Leser einen Riesenschritt zurück ins London des
16. Jahrhunderts, in die Zeit Shakespeares. Richard Shakespeare (1564-1713)
arbeitet in der Schauspieltruppe seines Bruders William und hadert damit, bisher
nur Frauenrollen gespielt zu haben. Da es der Truppe schon immer an
Schauspielern für Frauenrollen mangelte, will William seinen Bruder aus diesem
Joch nicht entlassen; Richard wiederum taktiert um seinen ersehnten Aufstieg zu
den - angeseheneren - Männerrollen und um bessere Bezahlung. Das Verhältnis
der Brüder wirkt kühl, scheint ein Zweckbündnis zu sein. Diese Einschätzung
wundert kaum, nachdem man Näheres aus Richards Kindheit erfahren hat.
Die Blüte des Londoner Theaters und die Konkurrenz der Theaterbetreiber
untereinander bündelten sich zur Zeit der Handlung zu einem erstaunlichen
Bauboom von Theatern. Neben Schneiderinnen und anderen Handwerkern verschafften
die zahlreichen Londoner Theater besonders den Fährleuten Einkünfte, die die
kostbar gewandeten Zuschauer ins Theater ruderten.
William Shakespeare brauchte Geld für die Gagen seiner Truppe und war in erster
Linie damit beschäftigt, immer neue Stücke zu verfassen, um sein Publikum in
die Vorstellungen zu locken. Schauspieler gab es in jener Zeit genug, knapp war
allein die Zahl der Stückeschreiber. Die Zuschauer wollen Gesang, Tanz und
Liebespaare bei Mondschein, wusste der Dramatiker. Bei Aufführungen in
Privathäusern zahlte der Lord, und die Lady des Hauses erhielt das Stück, das
sie sich wünschte. Seinen Konkurrenten im Unterhaltungsgeschäft musste
Shakespeare jeweils um eine Nasenlänge voraus sein, um zu überleben. Seit
herumziehende Schauspiel-Ensembles vom professionellen Theater in festen
Häusern abgelöst wurden, kämpfte man mit harten Bandagen gegeneinander.
Manuskriptklau war nichts Ungewöhnliches, und die Texte blieben streng unter
Verschluss. Zum Schutz vor Textdiebstahl erhielten Shakespeares Schauspieler
stets nur eine Abschrift des Texts ihrer eigenen Rolle.
Fazit
Ausgehend von der Person Richard Shakespeares und des geschilderten
Bruderkonflikts, gibt Bernard Cornwell einen fesselnden Einblick in das Leben
in London am Übergang zum 17. Jahrhundert und in die Londoner Theaterszene. Er
erzählt seine Theatergeschichte als Wirtschafts- und Sozialgeschichte,
unterhält mit einer Fülle an Details und toppt die Geschichte mit einer
Krimihandlung um einen Manuskriptdiebstahl. Schließlich bringt der Autor
Richards Schicksal auf den Punkt, als sich das Hausmädchen Silvia fragen muss,
ob sie sich die Ehe mit einem Schauspieler finanziell überhaupt leisten kann.
Cornwells historischer Roman mit der von ihm gewohnten Liebe zum Detail macht
Laune, sich intensiver mit der Zeit Shakespeares zu befassen.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 12. August 2018 2018-08-12 09:15:29