Nina George ist bekannt für ihren gefühlvollen Stil, den sie ihren Texten
einverleibt. Darauf kann man sich auch bei ihrem aktuellsten Roman verlassen,
welches einer der großen Gefühle ist, ohne auch nur eine Spur von Kids
aufkommen zu lassen.
Claire verlässt das Zimmer eines Hotels, in welchem sie nur diese eine Nacht
verbracht hat. Mit einem Mann, der nicht ihr Ehemann ist. Sie wird diesen Mann
nicht wiedersehen. So die Vereinbarung.
Auf dem Flur trifft sie ein junges Mädchen, das ihren Job zu morgendlicher
Stunde im Hotel erledigt. Die Blicke des Mädchens geben zu verstehen, dass sie
Schweigen wird und keinem Menschen davon berichtet, was möglicherweise in dem
Zimmer passiert ist, aus dem Claire trat. Die Wege Claires und des Mädchens
sollen sich aber erneut treffen.
Die Autorin, die viel Zeit des Jahres in der Bretagne lebt, hat diese Roman wie
auch schon vorhergehende in Frankreich angesiedelt. Ihre sinnliche Wortwahl
macht die einzelnen Situationen für den Leser spürbar, riechbsr, schmeckbar
und fühlbar. Noch heute schmecken meine Lippen salzig, wenn ich an das Meer im
Roman denke. Die Gedanken der Protagonistinnen fühlen sich an, als wären es
meine eigenen.
Die Emotionswucht der Sätze lässt dennoch keine Spannung vermissen. Denn als
sich der Weg der beiden Protagonistinnen erneut kreuzt, wird der Sog entfacht,
mit dem man das Aufeinandertreffen von Julie und Claire verfolgt. Dieses wird
aus beider Sicht erzählt, abwechselnd. Damit wird das Verständnis für beide
Positionen näher an den Leser gebracht. Positionen, die in erster Linie in den
Köpfen der Figuren stecken, von denen sie sich befreien wollen. Aber es sind
nicht nur die inneren Konflikte der reifen Frau Professor und des jungen
Mädchens. Claire ist verheiratet und sie hat einen Sohn, der gerade seine
ersten Schritte als Erwachsener macht. Zwei weitere Konflikte, die der
Professorin im Wege stehen. wie Claire diese löst, ist im Roman geschildert und
kann schwankende Gefühle für die eine oder andere Seite auslösen. Und dabei
lässt Nina George zum Ende hin als Überraschung noch einen Ballon platzen, der
auch den Beginn des Romans wieder ins Wanken bringt.
Fazit
Ein Roman voller Emotionen. Er wird bestimmt vom Aufbruch in ein neues Leben,
aber auch vom Hintersichzurücklassen, was bisher im Leben geschah. Begegnung
und Abschied nebeneinander wandern auf einem ganz schmalen Grat. Das bretonische
Ambiente schafft zusätzlichen Genuss. Der Roman ist in jedem Fall sehr
empfehlenswert.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 09. Mai 2018 2018-05-09 17:40:15