"Should we dance?"
Ausflugstipps in direkter Form, Restaurantempfehlungen, private Hotelkontakte,
all das, was "normale" Reiseführer ausmachen, findet sich in dieser
atmosphärisch dichten Beschreibung New Yorks nicht. Und das ist gut so, denn
Verena Leuken hat gar nicht unbedingt im Sinn, Touristen für eine
"Erkundung" dieser brodelnden Stadt "an die Hand zu nehmen".
Dennoch aber trifft Leuken den "Nerv der Stadt" am im Gesamten der
Lektüre aus den verschiedenen Betrachtungswinkeln, die sie wählt, präzise auf
den Punkt und bringt Gebäude und Menschen, Lebensweise und Verhaltensweisen dem
Leser emotional nahe. Sieben Jahre hat die Autorin in New York gelebt, im Herzen
der Stadt, zwischen Central Park und Riverside Park und, davon zeugt die
Lektüre, sich tief eingelassen auf das Leben dort. Was sie ebenso treffend in
Worte zu fassen versteht.
Flüssig, unterhaltsam, immer auch mit Ausflügen in die geschichtlichen
Hintergründe von Stadtteilen, besonderen Orten, Gebäuden und Verhaltensweisen
(warum die New Yorker auch in der Gegenwart noch darauf geeicht sind, Fremden
nicht in die Augen zu schauen, auch wenn es eigentlich gar nicht mehr nötig
wäre u.v.m.) versteht Lueken es, dem Leser die Vibrationen der Stadt, die
Lebensweise dort, die gravierenden Unterschiede zwischen Arm und Reich (manche
Köche in Schnellrestaurants erhalten gerade einmal 15.000 Dollar, Lehrer an
öffentlichen Schulen 39.000 Dollar, der Schulleiter allerdings dann doch
110.000 Dollar im Jahr) und den Kampf des Lebens samt massiver Enge der
Wohnverhältnisse für den überwiegenden Teil der Bevölkerung (natürlich
nicht für "die da oben" (im Wortsinne) fühlbar nahe zu bringen.
Auch das "innere Radar", den die einzelnen Bewohner entwickelt zu
haben scheinen, da sie, ohne den Blick zu heben, im dichten Gewühl selten
aneinanderstoßen (und wenn, könnte es eine "Aufforderung zum Tanz"
dann mal freundlich geben) wird von Lueken genauso ausführlich hergeleitet und
beschrieben, wie sie die "Farben der Stadt" in den verschiedenen
Jahreszeiten treffend und bildkräftig vor Augen führt oder bestens
verständlich erläutert, warum nicht wenige Autobesitzer mindestens ein- öfter
auch zweimal die Woche in zweiter Reihe parkend einige Stunden in ihrem Wagen
verbringen müssen. Zudem dringt die Autorin tief ein in die "sozialen
Spielregeln" der Stadt und erläutert höchst informativ, dass Reichtum
dort nicht alles (aber natürlich viel) ist. Fast haarsträubend liest sich das,
was ein zu Reichtum gekommener Mann alles in die Wege leitete, um eins der
begehrten Ehrenämter der Stadt endlich zu erlangen.
Oder erläutert eloquent, warum Los Angeles und nicht New York
"Welt-Film-Hauptstadt" wurde, obwohl all jene kongenialen
Drehbuchautoren New Yorker waren. Und wie daraus sich ein "Bild" der
Stadt aus den Köpfen jener "Exil-New-Yorker" entfaltete, dass in Form
von Filmen das Bild der Stadt weltweit prägte. Womit dann auch verständlich
geklärt werden kann, warum der erste "King-Kong" Film fast mehr über
das Wesen der Stadt zu erzählen weiß, als alle anderen Fortsetzungen und die
Mehrzahl aller anderen Filme, die in New York fiktiv angesiedelt wurden.
"(New York) inspiriert immer noch Künstler und Schriftsteller….(es) ist
grell, schlaflos und unverschämt. Nur herzlich und Freundlich, das ist es nur
bedingt".
Fazit
Am Ende der Lektüre weiß man da, warum und wie man das zu verstehen hat und
was es braucht, um sich dieser Stadt so zu nähern, dass man ihr
"Seelenleben" erfassen kann.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 08. Mai 2018 2018-05-08 10:25:19