Eher Psychogramm denn Thriller
Es dauert. Es dauert eine ganze Weile, eigentlich bis zum letzten Drittel,
mindestens aber bis zur Hälfte des Werkes, bevor greifbar "etwas
passiert". Gut, vorher wurde ein 10jähriges Mädchen entführt. Was der
Leser aber als Voraussetzung des Thrillers eher lapidar mitgeteilt bekommt. Ein
Mädchen, eine Entführung, die eine junge Frau mit massig Problemen mit sich
selbst aufgrund ihrer traumatischen Vergangenheit aus einem (für den Leser)
sehr überraschenden Motiv heraus keine Ruhe mehr lassen kann. Denn zum einen
war sie selbst Opfer einer Entführung über drei Jahre hinweg, sexuell
missbraucht, angekettet, und kann bis heute keine wirklichen Hinweise zur
Ermittlung ihres Entführers liefern.
Kein Wunder, dass psychologische Betreuung, Misstrauen und vielfache "harte
Pillen" zu ihrem Alltag gehören. Nun aber bindet gerade jener Polizist,
Sean, der sie damals auf offener Landstraße gefunden und gerettet hat, sie mehr
und mehr mit ein in den neuen Entführungsfall, wie auch die Eltern des
Mädchens in überbordendem Maße die Hofe von Laine suchen. Die einerseits von
all dem überfordert ist, andererseits langsam selbst wieder in ein Fadenkreuz
zu geraten scheint (was den Zustand ihrer kleinen Wohnung angeht nach einem
"Besuch" angeht) und Schritt für Schritt sich auch ihrer
Vergangenheit wieder stellt, um der verschwundenen Olive helfen zu können.
Ein Prozess, den Laurin ausführlich, in ruhigem Aufbau und eher langsam
schildert und damit typische Thriller-Zutaten wie konkrete Bedrohung,
Perspektivwechsel zum aktuellen Opfer und ein hier und da Anziehen des Tempos
eher vernachlässigt. Was im letzten Drittel erst dann alles hinzutritt und mit
überraschenden Wendungen dem Leser eine Auflösung des Falles präsentiert, die
einerseits gefahrvoll und spannend geschildert und andererseits völlig
überraschend daherkommt. Insgesamt also ein sehr tief reichendes Psychogramm
eines "missbrauchten Kindes" im Körper einer erwachsenen Frau und zum
Ende hin erst mit der notwendigen Spannung ausgestattet, die auch nächtliche
Verfolgungsjagden und das Rammen von Autos während der Fahrt dann nicht
auslässt.
"Irgendwas treffe ich. Jemand zieht die Luft scharf zwischen den
zusammengebissenen Zähnen ein. Bevor sich der Angreifer von meinem Tritt
erholt, rappele ich mich hoch und renne zur Tür".
Fazit
Eine interessante Lektüre vor allem für Leser, die es genießen, ganz in die
Hauptfigur des Romans mit hineingenommen zu werden.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 26. April 2018 2018-04-26 15:27:50