In diesem Roman wird ein Lied gespielt, das Lied des mittleren Westens Amerikas.
Eine raue und wilde Melancholie, frisiert durch den Klang der Gitarre und einer
knisternden Stimme des Sängers. Die Stimme erzählt von der Sehnsucht der
Menschen in diesem Landstrich, deren Alltag von Armut und Aussichtslosigkeit
geprägt ist. Der Autor trifft damit einen Ton, der dem von James Lee Burke
ähnelt. Er zeichnet damit das Porträt von einem dreckigen Amerikas, einem
kriminellen, einem armen Amerika, aber nicht ohne den Schimmer von Hoffnung
durchsickern zu lassen.
Pete Snow ist Sozialarbeiter beim Jugendamt in Tenmile. Zwar ist es seine
Aufgabe, Kindern und Jugendlichen in schwierigen familiären Verhältnissen zu
helfen, aber das geht nicht, ohne nicht auch den Familien selbst zu helfen. So
ist Petes Ansatz: den Eltern zu helfen, damit deren Kinder es besser haben. Oft
hat Pete den Eindruck, gegen Windmühlen zu rennen. Alkohol, Rauschgift und
Kriminalität bestimmen den Ablauf dieser Familien. Da bleibt ihm nur die
Möglichkeit, die Kinder von dort wegzuholen. Am liebsten bringt er sie bei
Pflegeeltern unter, Heime sind nur für den Notfall vorgesehen. Und dennoch ist
auch der Jugendknast nicht ausgeschlossen. Nimmt ihn schon seine Arbeiten mit,
vielleicht auch zu sehr, so will sich zudem zu allem Überfluss seine trinkende
Ehefrau mit der pubertierenden Tochter von ihm trennen. Pete wird hin und her
gerissen zwischen den zu betreuenden Familien und seiner eigenen. Als seine
Tochter verschwunden ist, scheint alles zu eskalieren. Der Alkohol zieht Pete in
den Bann.
Die Geschichte vom Sozialarbeiter Pete Snow wird in zwei Ebenen erzählt. Auf
der Hauptebene läuft das Geschehen um den Protagonisten. Sekten, Nazis, FBI,
DEA, ATF, Schlägereien, Schießereien, das volle Programm, und dazwischen das
Jugendamt. Der Protagonist kümmert sich um zwei Jungs, mehr und weniger
erfolgreich. In der zweiten Ebene verfolgt man ein Verhör, bei dem letztendlich
nicht aufgelöst wird, wer wen interviewt. Hier erfährt man die Geschichte von
Petes pubertierender Tochter Rachel auf ihrer Flucht, man erfährt von ihrer
Abwärtsspirale, getreu dem Motto: Wer aus prekären Verhältnissen stammt, kann
nur noch tiefer sinken. Denn auch die Verhältnisse, in denen ihr Vater Pete
aufwuchs, sind alles andere als von Wohlstand geprägt gewesen. Den gibt es in
diesem Landstrich in Montana nicht.
Fazit
Wer ein dickes Happy End erwartet, wird sich mit dem mit diesem hervorragenden
und bildgewaltigem Erzählepos nicht wohlfühlen. Aber die Hoffnung stirbt
zuletzt und das Ende befriedigt auf angenehme und passende Weise. Ein großer
Roman, den ich einen empfehlen kann.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 11. April 2018 2018-04-11 14:25:22