Hätte ich gleich gemerkt, dass die Liebesgeschichte im Stil "Romeo und
Julia in Deutschland" ein Süden-Krimi ist, hätte ich eher danach
gegriffen. Krimi-Leser sind Gewohnheitstiere und hängen an ihren
Lieblings-Reihen.
Die 18-jährige Julika lernt im trostlosen Familien-Weihnachtsurlaub Rico aus
Rostock kennen und verliebt sich in ihn. Als Julika später spurlos
verschwindet, reist Kommissar Süden vom Dezernat 11 der Münchener Polizei
(Vermisstenstelle) in den wilden Nordosten, um mit Rico und seiner Mutter zu
sprechen.
Süden kommt dort gleich dreifach in die Fremde: als Wessi, als Polizist, dem
man bessere Arbeitsbedingungen als im Osten unterstellt und als Person, die
Freiheit bisher als selbstverständlich vorausgesetzt hat. Die Kollegen in
Mecklenburg-Vorpommern stellen gleich klar: nach Bayern kann man in Urlaub
fahren, aber die Ermittlungen solle Süden doch besser ihnen überlassen.
Weder Süden noch Julika wußten bis zu diesem Zeitpunkt, dass Rico und seine
Freunde 1992 an den Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen beteiligt waren, bei
denen ein Vietnamese ums Leben kam. Ricos alte Clique und die Folgen der
damaligen Ereignisse bringen ihn und Julika in höchste Gefahr. Das ungleiche
Paar flieht nach Berlin.
Ani zeigt die ausweglose Situation der gerade volljährig gewordenen Tochter
eines aggressiv-überbehütenden Vaters ebenso überzeugend wie die
Abhängigkeiten in einer ostdeutschen Kleinstadt. Mit seiner Schilderung der
Nöte, die Kinder und Jugendliche zu Ausreißern machen, hält der Autor der
bundesdeutschen Gesellschaft den Spiegel vor.
Die Person Süden begeistert mich immer wieder: persönlich unangepasst, mit
Verständnis für private und berufliche Krisen seiner Kollegen, unaufdringlich
besorgt um die als vermisst gemeldeten Personen, nach denen seine Abteilung
fahndet.
Fazit
Friedrich Ani hat sich nach "
German Angst" wieder an ein Thema
gewagt, dass dicht an tatsächliche Ereignisse angelehnt ist. Ein bayerischer
Autor, der Rostocker Jugendliche schildert, begibt sich auf einen schmalen Grat.
Doch Respekt: Anis Personen überzeugen.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 05. April 2004 2004-04-05 12:42:31