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Walter Sedlmaier: Konsum und Gewalt - Radikaler Protest in der Bundesrepublik

Konsum und Gewalt - Radikaler Protest in der Bundesrepublik

von Walter Sedlmaier
Verlag: Suhrkamp Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-3-518-42774-3

Preis: 32,00 Euro bei Amazon.de [Stand: 21. Dezember 2024]
Interessante, neuartige Sichtweise

Nicht ohne Konzentration und, vor allem, nicht ohne Interesse am Thema, kann die Lektüre dieses, auch in Sprache und Form wissenschaftlich gehaltenen, Fachwerks gelesen werden. Eine Lektüre aber, die sich lohnt. Zum einen (sicherlich für einen eher engeren Interessentenkreis ähnliche Fachrichtungen), was den Kern der Arbeit Sedlmaiers angeht.

"Radikale Konsumkonzepte gingen aus sozialen Bewegungen hervor, die auf sozialen Wandel reagierten. Sie spiegelten somit den Wandel der Versorgungsökonomie wieder".

Und das mit radikalen, also kämpferischen Mitteln, von der Hausbesetzung über Anschläge auf "Konsumtempel". Der Ansatz, die "Lehr des Konsums" in der kapitalistischen Gesellschaft als "Fortschritt im Sinne der 'Herausbildung von Konsumgesellschaften" hat sich somit ihre eigenen Gegner geschafft und war selbst, wie Sedlmaier überzeugend argumentiert herausarbeitet (und das ist durchaus ein neuer Ansatz), "Träger von Gewalt". Zum anderen, was das "Mitlesen am Rande" und viele der grundlegenden Überlegungen des Werkes mit sich bringt, stehen vielfache Erkenntnisse zu einer überaus kritischen Sicht auf die "Welt des Konsums" und deren "zielgerichtete Setzung" durch Wirtschaft und Politik im Raum, die dem Leser neue, ungewohnte Perspektiven eröffnen.

Alleine schon die Erinnerung daran, dass "Konsumkritik" über lange Zeit hinweg bereits vorhanden war und keineswegs nur in "Randgruppen alternativer Lebensstile" beheimatet war, sondern vielfache philosophische und ökonomisch Kritische Geister schon früh Kritik an Werbung und "Drängen zum Konsum", ja, an einer ganzen "Volkserziehung" im Sinne der Lebensverwirklichung durch "Kaufen" übten bietet eine ungewohnte, andere, gerade aktuell aber überaus nah zur Gegenwart orientierte Sicht (auch wenn das Buch eher die Entwicklung bis zu den 80er Jahren hin thematisiert).

"Seelenmanipulierer. Das schwerste Attentat, das jemals bewusst gegen das abendländische Menschenbild gerichtet worden ist. Die geheimen Verführer" und vieles mehr, so werden die Protagonisten der Werbung, die "Speerspitze der Aufforderung zum Konsum" bereits Mitte der 50er Jahre genannt.

Dass durch den Wegfall eines (wenn auch noch so schwachen) "sozialistischen Gegenmodells" einer doktrinären Lebensweise Tür und Tor weit geöffnet wurden, die den Fokus von der "Produktion" weg rein auf den "Konsum" lenkt und damit tiefe Veränderungen im sozialen Gefüge einer Gesellschaft anstößt, das mag keine unbekannte Idee sein, dass aber West-Berlin durch hohe Subventionen als "Schaufenster des Westens" gegenüber dem "Osten" "eingerichtet wurde" und damit als Mittel der Kriegsführung im kalten Krieg bewusst als "Waffe" diente, das ist überaus interessant im Buch nachzuvollziehen. Bis hin zur "Semantik der Gewalt", die Sedlmaier trocken konstatiert und die ahnen lässt, dass die "Front der Konsumaufforderung" durchaus nicht nur äußere, sondern auch innere "Kriegswelten" gesellschaftlich entstehen lässt, vollzieht und provoziert. "An der Konsumfront". "Wo sich der Lebenskampf des Massenmenschen" abspielt. Mit den Begriffen der "Konsumgesellschaft" wie "Werbefeldzug", "Werbeschlacht", "Werbegeschosse", "Marken-Offensive", "Überraschungsangriff" und "Werbe-Dauerfeuer".

Was nicht daran lag, dass eine gewisse martialische Sprachform der deutschen Gesellschaft "immer noch" zu eigen war, sondern tatsächlich eine Form von Krieg stattfand (und findet), wie Sedlmaier überzeugend darlegt. Mit der vermeintlichen Gegenbewegung der sozialistischen Systeme, durchaus aber auch im "Häuserkampf", "Hausbesetzungen", mit den "Roten Zellen", der "Roten Zora", dem "Schanzenviertel", Attacken auf Kaufhäuser, Kampagnen gegen Konzerne (wie Springer). Wobei gerade der Fall Springer interessant ist, da hier, wohl kaum breit bekannt, die gleiche Methode, die alternative Gruppen "gegen" Springer anwandten, von "Springer" einige Jahre zuvor ebenfalls aktiv genutzt wurde.
Fazit
Alles in allem ein gefülltes, fast überfülltes Buch, dass den verschiedenen Protestbewegungen der Zeit zwischen 1950 und 1980 intensiv nachgeht, die Hintergründe beleuchtet, vielfache praktische Beispiele bietet und so die politische Dimension der "Konsumstrategie" und des sich gegen dieses Verwehren intensiv miteinander verknüpft.

Und damit erstmals dieser Verbindung von Konsum und Gewalt in dieser breiten Form Raum gibt mit Ansätzen, Thesen und Beschreibungen, die sich ohne Weiteres umgehend auf den globalen Raum anwenden lassen.
9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne

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Vorgeschlagen von Lesefreund [Profil]
veröffentlicht am 01. März 2018

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