George Soros, weltbekannter Volkswirtschaftler, Börsenmakler und Philosoph,
legt hier eine Abrechnung mit der amerikanischen Außenpolitik unter Präsident
George W. Bush junior vor, die in deutlicher Tradition der
Neo-Institutionalisten steht. Genau dieselben Thesen hat Joseph S. Nye in seinem
- ebenfalls hervorragenden Buch "Das Paradox der amerikanischen Macht"
vorgelegt. Die Hauptthese beider Autoren ist, dass eine auf Machtbeziehungen der
Staaten basierende Außenpolitik zum Scheitern verurteilt ist. Sie sei - so
Soros in Anlehnung an Nye - primitiv und sozialdarwinistisch, da sie die
Bedeutung der Kooperation im Kampf ums Dasein ignoriere und den Schwerpunkt
alleine auf die Konkurrenz legt. "In der Wirtschaft vollzieht sich dieser
Konkurrenzkampf zwischen Unternehmen, auf dem Gebiet der internationalen
Beziehungen zwischen Staaten. im wirtschaftlichen Bereich tritt der
Sozhialdarwinismus in Gestalt des Marktfundamentalismus auf, in der
internationalen Politik führt er zum Streben nach der Vorherrschaft der
USA." Diese Thesen sind nun keineswegs neu. Hauptthese von Soros ist, dass
die US-Regierung die schrecklichen Ereignisse des 11. September missbraucht
habe, um eine Politik durchzusetzen, die "ohne dieses einschneidende
Ereignis von der amerikanischen Öffentlichkeit nicht toleriert worden wäre.
Der Traum der Bush-Regierung von der unumschränkten Hegemonie der USA lässt
sich nicht verwirklichen und steht überdies im Widerspruch zu gerade jenen
Prinzipien, für die Amerika stets eingetreten ist." (S. 8). Präsident
Bush habe die Ereignisse um den 11. September als Vorwand genutzt, seine
sogenannte "Bush-Doktrin" (das Recht eines Landes, präventive
Militärschläge zu führen) umzusetzen. "Die Regierung des mächtigsten
Landes der Welt ist politischen Extremisten in die Hände gefallen, die sich von
einer primitiven Form von Sozialdarwinismus leiten lassen."
Diese - nicht neue - Kritik wird von Soros jedoch eindrucksvoll begründet und
belegt. So belegt er die Ideologie der sogenannten "Neokonservativen"
in der Regierung Bush (um Vizepräsident Cheney und den stellvertretenden
Verteidigungsminister Wolfowitz) damit, dass er ihre Ideen, die sie 1997 in der
Grundsatzerklärung des "Projekt für ein Neues Amerikanisches
Jahrhundert", einer neokonservativen Denkfabrik und Institution zur
Beratung von Politikern, im vollen Wortlaut veröffentlicht und sämtliche
Unterzeichner, darunter Cheney, Jeb Bush, den Präsidentenbruder und Gouverneur
von Florida und Wolfowitz aufführt.
Was das Buch jedoch interessant macht und meines Erachtens zahreichen ähnlichen
Publikationen ähnlichen Inhaltes, die den deutschen Buchmarkt zur Zeit
überschwemmen, voraus hat, ist, dass Soros bei aller Polemik (sein Ziel ist es
explizit, mit diesem Buch dazu beizutragen, das Bush abgewählt wird) eine
konstruktive Vision anbietet, die er - versehen mit einem eindrucksvollen
philosophischen Grundgerüst - Stichworte: Reflexivität, Prinzipielle
Fehlbarkeit, Offene Gesellschaft, menschliches Unbestimmtheitsprinzip -
begründet. Dies bedeutet in eigenen Worten, dass es keine universelle Wahrheit
gibt, da unser Verständnis der Welt immer mangelhaft bleiben wird. Kooperation,
die Bereitschaft des Zuhörens und des Lernens, ein offenes Weltbild sind daher
für eine funktionierende Welt außerordentlich wichtig. Feindbilder und
geschlossene Weltbilder - wie für die Bush-Administration typisch, da diese
Regierung dazu neigt, die Welt schwarz-weiß dualistisch in Gut und Böse,
Freunde und Feinde, einzuteilen, lösen keine Konflikte. "Wenn unser
Verständnis der Welt zwangsläufig fehlerhaft ist, kommt es entscheidend auf
das Ausmaß unser Fehlinterpretation an. Aufgrund dieser Erkenntnis bemühe ich
mich, stets alle Aspekte eines Arguments zu berücksichtigen. Besonders
empfindlich bin ich gegen absichtliche Verfälschungen, wie sie durch Begriffe
wie: "Krieg gegen den Terrorismus" und
"Massenvernichtungswaffen" hervorgerufen werden." (S: 199). Wer
also aufgrund von verzerrten wahrnehmungen oder Vorurteilen handle - ob auf dem
Feld der Marktwirtschaft oder der Politik, wird damit langfristig scheitern.
Dies geschieht, da ein solcher Trend sich zwar kurzfristig zunächst verstärkt,
jedoch irgendwann der "Augenblick der Wahrheit" kommt, "wenn die
Marktteilnehmer sich der Kluft bewusst werden, die ihre Sichtweise von der
Wirklichkeit trennt. Darauf folgt eine Phase der Unentschiedenheit, in welcher
der Trend nicht weiter durc!
h den Glauben an den Trend verstärkt wird. Nach einer gewissen Zeit kehrt sich
der Trend schließlich um, und es wird ein sich selbst verstärkender Prozess in
Gang gesetzt, der in die entgegengesetzte Richtung läuft. Abhängig davon, wie
weit der Boom-Bust-Prozess vorangetrieben wurde, kann seine Umkehrung
katastrophale Ausmaße annehmen. Das zerplatzt das schillernde Gebilde so
überraschend wie eine Seifenblase."(S. 202) Diese - auf die Wirtschaft
bezogenen - Betrachtungen - überträgt Soros auf die Politik und hier konkret
auf die amerikanische Innen- und Außenpolitik unter Bush: "Ich sehe
gewisse Parallelen zwischen dem amerikanischen Hegemoniestreben und dem Muster
von "Boom" (Entstehung einer Spekulationsblase) und "Bust"
(Zusammenbruch)...Gegenwärtig ist die Blase kurz vor dem Platzen." (S.
12).
Fazit
Es bleibt zu hoffen, dass Soros Prognosen Wirklichkeit werden und sein
lesenswertes Buch dazu beiträgt, eine tolerantere Welt zu schaffen, in welcher
Kooperation und Miteinander stärker bleiben als Konkurrenz und Machtstreben.
Sich eine solche Welt vorzustellen, dazu trägt dieses hervorragende Buch
sicherlich bei.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 05. April 2004 2004-04-05 12:35:34