Mit präzisem Blick auf die "kleine Welt" und dabei in die Weite
führend
"Ist es nicht traurig, Jimmy, dass einer der größten Helden der
griechischen Mythologie, einer der Glorreichsten…., jetzt zu einem
Scheuermittel in einer Dose reduziert worden ist"?
Fragt der Nachbar das Kind, dass ihm ein Mittel gegen Abflussverstopfung
gebracht hat. Ein kleiner Satz, den Swift in wunderbarer, eleganter, treffender
Sprache in Analogie ausdeutet. Dass die Welt auf der Straße, an der der Junge
wohnt, eng ist. Dass Andersartigkeit und sei es nur "Sport in
Unterhosen" und "Psalmodieren" nicht sein soll? Eigentlich weg
soll? Weg von diesen ordentlichen Leuten, die nur das Ziel haben, "ehrbare
(saubere) Mitglieder der Gesellschaft" zu werden und zu sein.
Ein wunder Punkt, den Swift genauestens, wie in allen anderen Geschichten im
Buch je auch, herausarbeitet und der überaus nachdenklich zurücklässt als ein
Spiegel des "Britischen" einerseits und der eigenen Enge im Denken
andererseits. Das betrifft auch den Offizier der Küstenwacht.
"Er hatte, wenn er ehrlich war, ein Bewahrer von Sicherheit sein wollen,
während er gleichzeitig – und vielleicht bedingten sich diese beiden Dinge
gegenseitig – einen Gutteil Sicherheit für sich selbst wollte" (was auf
95% bezifferbar ist für diesen Mann).
Ist der eigentliche Held nicht jener Mann, der mit einer Autopanne am
Straßenrand stand und ein ungewisseres, aber auch freieres Leben führt? Und
ist es nicht verständlich (und dennoch leicht erschreckend dann zu lesen) wie
das Gehirn diese Begegnungen umgehend beginnt, zu relativieren? Damit keine zu
große Unruhe das eigene Leben anfragen könnte?
"Nein, er würde niemandem davon erzählen…..Mit der Zeit würde er
möglicherweise auch Johnny Dewhorst…..für eine Halluzination
halten".
Was Swift elegant ins den größeren Zusammenhang seines "England"
stellt.
"Er wusste einige Dinge über das Land, dem er meistens den Rücken
zukehrte….aber doch nur wenig. Eigentlich, dachte er…eigentlich wusste er
gar nichts darüber". Und will es wohl auch nicht.
Was dann aber, in der anrührenden Geschichte von Verlust und Trauer im Werk
alle Oberflächlichkeit ad absurdum führt. Wenn ein prominenter Verstorbener
nur als seine Rolle wahrgenommen wird und der eigene, liebe Verstorbene sein
Leben in diesem Gemisch aus "Rahmen erfüllen und unauffällig sein"
nun diese große Lücke hinterlässt, dass der Leser sich automatisch mit fragt,
worum es denn wirklich geht im Leben. Und wie wenig am Ende bleibt.
Fazit
Mit durchgehend hoher, sprachlicher Qualität, flüssig und eindrucksvoll zu
lesen, geht Graham Swift weit über das präzise Erfassen des "britischen
Lebens" und der "britischen Lebenshaltung" hinaus (die immer der
Ausgangspunkt für die äußeren Abläufe der Geschichten bildet) und stößt
auf existenzielle Fragen zum modernen Leben und den "zeitlosen
Wahrheiten", die beim Leser nachhaltig nach hallen.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 23. Februar 2018 2018-02-23 10:08:56