Als John und Margaret mit ihren Kindern ins Ferienhaus eines Kollegen von John
aufbrechen, kann sich niemand so recht auf den Urlaub in Maine freuen. Die
Unsicherheit, ob sie das Haus auch für die versprochene Zeitspanne nutzen
dürfen, belastet sie alle. Margarets Leben ist von Unsicherheit geprägt und
der vagen Hoffnung, dass ihre Ehe mit John gegen alle Wahrscheinlichkeit
glücklich verlaufen wird. Bereits vor ihrer Hochzeit in den 60ern erfährt
sie, dass John schwer psychisch krank ist; jederzeit könnte er wieder einen
Zusammenbruch erleiden. In schlechten Phasen lebt Margaret mit John wie mit
einem vierten Kind. Emotionen schienen für ihren Mann immer zweitrangig zu
sein. Wer mit 8 Jahren ins Internat geschickt wird, lernt zeitig, die stiff
upper lip zu zeigen. Auf ihren Partner als Ernährer und Vater sollte Margaret
sich besser nicht verlassen. John ist sehr britisch geprägt, legt Wert auf
Manieren und will die Ehe als Form gewahrt sehen. Die Heirat mit einer
Amerikanerin bietet ihm ein Schlupfloch, um seiner Welt zu entfliehen. John ist
als Fondsmanager beruflich erfolgreich, eine fatale Berufswahl für einen
Patienten mit bipolarer Störung. Die Familie lebt über ihre Verhältnisse,
verdrängt den drohenden finanziellen Ruin durch Krankheitskosten. Mitten in der
Rezession von 1980/81 kehren sie aus den USA nach England zurück, John
scheitert beruflich, die Kinder werden innerhalb kurzer Zeit zurück in die USA
verpflanzt. Michaels Rückkehr nach England, um dort die Schule abzuschließen,
markiert den Beginn eines tragischen, unsteten Lebens. Beide Söhne sprechen in
ihren Erinnerungen an ihre Kindheit Unsicherheit und Entwurzelung an, bei
beiden sorgt sich der neutrale Beobachter um ihre psychische Gesundheit. Celia
erkennt die Dämonen im Leben ihrer Brüder, doch wer hört schon auf die
Ratschläge eines Angehörigen. Nach Jahrzehnten erst kommt es zu einem
gemeinsamen Termin bei einem Familientherapeuten. Alle drei Kinder hatten auf
die harte Tour gelernt, dass Angehörige von psychisch Kranken selten normale
Partnerbeziehungen haben können. Margaret wollte es immer allen recht machen,
blickt eher mit Staunen als mit Trauer auf ihr Leben zurück. Sie erlebt die
Ereignisse als etwas, auf das sie keinen Einfluss hat und prägte mit ihrem
Vorbild Michael, Alec und Celia.
Fazit
Adam Haslett lässt fünf Icherzähler sich gegenseitig und ihr Familienleben in
den 60ern bis 90ern des vorigen Jahrhunderts beschreiben. Mit erstaunlichem
Gespür für Zwischentöne zeigt Haslett die feine Grenze zwischen
exzentrischem Verhalten und therapiebedürftiger psychischer Krankheit. Das
Leben aller ist gezeichnet vom Schweigen, Beschönigen und fatalen
Entscheidungen, die jeden auf seine Art ins Unglück ziehen. Wie aus
übereinander gelegten farbigen Folien entsteht am Ende ein Gesamtbild, in dem
Leerstellen bleiben, Symbole für das Verdrängen von Krankheit und Obsessionen.
Ein großartiger, bewegender Familienroman.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 24. Januar 2018 2018-01-24 09:36:43