Eine durchaus interessante Welt der nahen Zukunft
"German Angst of the Great Depression" - so titelt die New York Times
im Buch am 29. Juli 2053. Und das nicht ohne Grund. Denn durch das
"Ministerium für Glück und Gesundheit", die durchgängig übliche
Orientierung des "Volkes" auf Tracker, intensive ärztliche Betreuung
und bereits Genreparaturen im Mutterleib, in Verbindung mit der Ächtung von
Alkohol und Rauchen samt einer so gut wie lückenlosen Überwachung der Bürger
hätte man doch im besten Sinne gedacht, dass ein "glückliches und
brachial gesundes Volkswesen" in der Mitte Europas den Vorreiter für die
Welt geben kann. Wenn da nur nicht dieser Hand zur Depression wäre. Vor allem
zur gefürchteten "Großen Depression), die bereits Kinder befällt, die
für Jugendliche die Gefahr des Suizids ungemein vergrößert und gegen die
aktuell noch kein Kraut gewachsen ist.
Ein Szenario, dem Lubbadeh als atmosphärische Rahmung der Welt im Buch durchaus
nachgeht und damit den Leser fasziniert. Denn hier tauchen keine noch völlig
unbekannten technischen Erfindungen auf, sondern das aktuell bereits vorliegende
und genutzte ist nur konsequent zu Ende gedacht. Dass die Verbindung zur
depressiven Neigung dabei von Lubbadeh im Werk wenig hintergründig, sondern
eher platt gesetzt daherkommt, schadet der Faszination für diese Ausgestaltung
des Alltags in naher Zukunft kaum.
Ist allerdings auch ein Beispiel dafür, dass im Gesamten die Geschichte ein
stückweit zu schlich erzählt wird, um den Leser zum Rätselraten einzuladen.
In langen Dialogen werden alle Wichtigkeiten der Ereignisse und deren
Hintergründe (in manchmal zu sachlicher Sprache) relativ zeitnah dem Leser
bekannt gegeben. Dass Lubbadeh auch anders kann und sehr wohl den Blick für
spannungsgeladene und emotional dichte Momente besitzt, zeigt sich daher eher an
Randszenen (wie ein "Verhör" einer Wissenschaftlerin durch eine hohe
Angestellte des Ministeriums", in der Angst, Erregung, warmer Atem, ein
deformiertes Ohrläppchen und eine intensive Dichte gleichermaßen den Leser
ebenso intensiv mit in die Szene hineinnehmen.
Und das alles ob des wohl Selbstmordes eines "Behinderten" (auch das
ein gut eingesetztes Thema in dieser Welt des "Gesundheits-Fetisch",
die Lubbadeh plakativ vor Augen führt. Der nur einen ziemlich merkwürdigen
Knochenbau besitzt. Und das in unmittelbarer Nähe des Neandertals in
Düsseldorf. Was schon auf den ersten Seiten eigentlich die Ausgangslage völlig
klärt. Dass nebenbei noch die Geschichte eines Neandertaler-Jägers aus der
Zeit vor 40.000 Jahren erzählt wird, vertieft die Klarheit um die Ereignisse
natürlich noch, bleibt aber für die eigentliche Geschichte, die Auflösung des
Falles, die überaus gut gesetzten Figuren des Kommissars "Nix" und
des gehörlosen Fachmannes "Max" kaum von Bedeutung und so vor allem
für an Frühgeschichte interessierte Leser ein lesenswerter Anteil des Buches.
Fazit
Auch wenn eine echte Spannungskurve durch zu plakative Erzählweise, Ereignisse
und zu einfache "Fluchten" nicht wirklich entsteht, ergibt sich doch
eine anregende Unterhaltung eben durch diese nahe und doch fremde Lebensart, die
sich auch aus der Gegenwart heraus umgehend und leicht entwickeln könnte. Was
nicht unbedingt wünschenswert ist, folgt man den Folgen, die Lubbadeh griffig
vor Augen führt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 11. Dezember 2017 2017-12-11 15:38:52