Einblick in den gegenwärtigen Stand der technischen Neurologie
Zunächst muss darauf hingewiesen werden, dass der Titel und Untertitel des
Werkes zwar aus Sicht des Autors passend gewählt ist, der Leser aber in der
Gefahr steht, das Werk mit falschen Erwartungen zu erwerben. "Die Grauzone
zwischen Leben und Tod", wie Owen das Buch untertitelt, könnte nun einmal
leicht in Richtung einer "Erforschung des Jenseits" oder in den (nicht
minder uninteressanten Zweig der "Nahtod-Literatur" eingeordnet auf
den ersten Blick verstanden werden. Das ist aber letztlich nicht das Thema
dieses persönlichen Berichtes über die medizinische Arbeit mit, weitgehend,
"Wachkomapatienten". Diesen Zustand benennt Owen als
"Zwischenwelt zwischen Leben und Tod". Für das Umfeld, die
Angehörigen, die Ärzteschaft sind solche Personen wenig zugänglich, sei es
ein tiefes Koma, sei es ein Wachkoma in verschiedensten Ausprägungen, sei es
das "Locked in Syndrom".
Was aber die Arbeit Owens, von der das Buch mit vielfachen Fallbeispielen
kündet, so interessant für den Elser macht, ist nicht unbedingt nur das
Mitleid mit den vielfachen Personen und Patienten, die Owen in ihrer
Krankheitsgeschichte minutiös nachvollzieht, sondern auch die Geschichte des
neurowissenschaftlichen Fortschritts. Die Erfindung von Maschinen, mit denen
detailliert "Gehirnschichten" betrachtet werden können, Reaktionen
sichtbar gemacht werden, Scheibe für Scheibe das Gehirn sich dem Betrachter in
seinen biochemischen Prozessen offenbart und damit auch im Gehirn Bereiche
"markiert" werden können, die für bestimmte Prozesse des Körpers
und des Gedächtnisses, der Empfindungen und der Kommunikation genutzt
werden.
So ist es der Arbeit Owens zu verdanken (auch persönlich betroffen, was die
Geschichte seiner Mutter und seiner ersten Partnerin im erwachsenen Leben
angeht), dass inzwischen klar feststellbar ist, ob Koma-Patienten nur noch
"Gemüse" wären, oder eben doch vielfache Außenreize aufnehmen
einerseits und in einer aktiven Gedankenwelt anderseits als "Menschen in
besonderer Verfassung" trotz fehlender, äußerer Merkmale
"präsent" sind. "Der wahre Kern der Wachkomaforschung liegt
jenseits der ausgeklügelten Experimente und der verblüffenden Technologie. Es
geht darum, scheinbar "verlorengegangene Menschen" wiederzufinden und
mit ihren Angehörigen in Verbindung zu bringen".
Fazit
Wo Owen ausführlich von diesen Behandlungen und Wegen in das Innere eines
Koma-Patienten berichtet, ist das Buch hoch informativ und eröffnet dem Leser
tatsächlich ganz andere als die alltäglichen Welten. Die vielfachen Inhalte
des persönlichen Werdegangs, der verschiedenen Forschungsstellen und der
privaten Lebensumstände Owens demgegenüber bieten wenig Interessantes, außer
einer Auflockerung im Stil, der daher mitnichten knochentrocken seine Inhalte
vermittelt. Auf jeden Fall eine interessante Lektüre.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 20. November 2017 2017-11-20 12:18:38