Atmosphärisch auf den Punkt, treffend und sprachlich überzeugend erzählt
Das Larry Brown in den Anfängen seiner Karriere nicht nur ein Fan von Stephen
King war, sondern dessen Stil zunächst auffällig kopiert hat, ist auch noch
diesem epischen und faszinierenden Roman anzumerken. Nicht im Sujet
irgendwelcher übernatürlicher Ereignisse, durchaus aber in der sehr flüssigen
Sprache, der sehr präzisen Beschreibungen von Personen und Orten und dem
emotionalen Einbetten des Lesers in all diese Ereignisse, Beziehungen und
Abläufe. Überaus flüssig erzählt Brown, wie es auch King zu eigen ist,
weniger durch äußere Beschreibungen, sondern durch das "Miterleben"
mit den Figuren.
So entsteht dieser intensive Reiz, die dichte Atmosphäre und die von Beginn an
emotionale Nähe des Lesers vor allem natürlich zu "Fay", der
17jährigen Hauptperson des Romans (auch dies ist eine der prägnanten Stilarten
Kings, die Brown aufgegriffen und, im Lauf der Zeit, mit einem ganz eigenen Ton
versehen hat). Brown erzählt durchweg plastisch. Der Leser spürt geradezu
unter den eigenen Fingern die "dünnen Seiten" einer Bibel auf einem
Pult in der Kirche. Ist mittendrin im Cannabis-Nebel in einem Trailer, folgt so
Fay nicht nur in den äußeren Schritten auf dem Fuß, sondern auch im inneren
Erleben. Ungeschminkt, ohne Filter, direkt, klar und teilweise hart (allein
schon, wenn der Leser durch die Augen Fay's den Umgang einer abgehalfterten Frau
mit ihrem Baby mit Beklemmung betrachtet).
"Und als das Baby hinfiel, hörte Fay, wie sein Kopf mit einem üblen
Geräusch an die Holzumrandung prallte".
Der Süden Amerikas. Ein Ort des "Herumhängens", des
"Herumlungerns". Ein Ort von Menschen, die sich nichts sagen lassen
würden. Weder von Gesetzeshütern noch von irgendwelchen "N……."
(Schwarze werden hier bis heute natürlich nicht politisch korrekt bezeichnet).
Eine dichte Beschreibung, die zudem von Brown durch einen kleinen Kunstgriff
noch gesteigert wird. Denn Fay hat bisher im "Hinterwald" gelebt, mit
ihren Geschwistern und ihrem Vater (auch diese Hintergründe werden Schritt für
Schritt im Roman nebenbei mit offengelegt) und erkundet die "Welt da
draußen" nun Schritt für Schritt. Nicht als "tumber Tor", denn
Fay hat ein gescheites Gespür und kann sich durchaus wehren (was sie intensiv
gelernt hat), aber doch mit den Augen des beobachtenden Neulings, was so vieles
dem "zivilisierten Bewohner" jener Gegend als selbstverständlich
erscheint.
Auf ihrem Weg zu ihrem persönlich "besseren Ort", an der Küste, im
Warmen, Biloxi soll es sein, bricht Fay damit zu einer persönlichen Odyssee
durch den Süden Amerikas auf und prallt ein um das andere Mal mit anderen
Menschen eng zusammen, die wiederum, jeder und jede für sich, ebenfalls ganz
eigene, teils exotische Lebensstile pflegen. Und von denen durchaus das ein oder
andere Mal auch Gefahren für Fay ausgehen. Bestens den Stil, aber auch im
Groben das Sujet dieses Romans, fasst Joe R. Landsmann über seinen 2014
verstorbenen Autorenkollegen zusammen:
"Larry Brown schreibt großartig über nicht so großartige Umstände. Sein
Süden ist der, den ich kenne. Dunkel, wunderschön und widersprüchlich, voller
Sünde und Sündern, Blut und Vergebung".
Vom harten Sex zu dritt im Trailer bis zum scheinbar wohlmeinenden Polizisten,
der sich ihrer später annehmen wird. Von klar erkennbaren Außenseitern bis zu,
nur scheinbar, problemlosen Familien der Mittelschicht, Brown zieht ein
Kaleidoskop exemplarischer Menschen vor die Augen des Lesers, die einerseits
Alkohol in Strömen ihrem Körper zumuten, neben dummdreist wirkenden
"Hillbillys", kontrastreich zur Landschaft, zum gemächlichen Fluß
des Lebens im Süden gesetzt und (nicht viele) Menschen mit Perspektive und
Hoffnung. Zu denen letztlich auch Fay in ihrer kongenialen Mischung aus
Unwissenheit und Klugheit, aus Stärke und Verletzlichkeit zählt.
Fazit
Ein Entwicklungsroman und eine soziale Studie zugleich, bestens erzählt und den
Dingen auf den Grund gehend, ohne zu analytisch daher zu kommen.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 26. August 2017 2017-08-26 12:39:45