Ruth Galloway ist Forensische Archäologin und lehrt an der Universität North
Norfolk in King’s Lynn. DCI Harry Nelson hat sie kennengelernt, als sie im
ersten Band der Reihe die Polizei von Norwich als Expertin zu einem Knochenfund
beriet. Als in der Burg von Norwich bei Bauarbeiten ein älteres Frauenskelett
mit einem Eisenhaken als Handprothese gefunden wird, vermutet man, dass es sich
um das Skelett von Jemima Green handelt, die im 19. Jahrhundert als
Kindsmörderin "Mother Hook" verurteilt wurde. Ruth Galloway,
inzwischen alleinerziehende Mutter der kleinen Kate, wird von dem historischen
Fall unerwartet aufgewühlt. Ruth, die Archäologie als Lebensinhalt wählte,
weil sie die Lebensbedingungen der einfachen Leute interessierten, beginnt zu
recherchieren, ob Jemima Green damals unschuldig einer Rufmordkampagne zum Opfer
gefallen sein könnte. Als Babyfarmerin, einer Tagesmutter des 19. Jahrhunderts,
kann Jemima Green kein ausschließlich schlechter Mensch gewesen sein, wie
bisher kolportiert wurde.
In der Gegenwart wird der Ort durch zwei weitere Fälle beunruhigt, die kleine
Kinder betreffen. Eine Mutter wird verdächtigt, dass es bei inzwischen drei
Fällen von plötzlichem Kindstod nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann
und ein kleines Kind wird mitten aus dem beschaulichen Kings Lynn heraus
entführt. Während Ruth noch über Jemima Greens Tagebuch sinniert, taucht ein
Fernsehteam auf, um einen Beitrag über mordende Frauen zu drehen, und Ruth
erhält Schützenhilfe von Frank Barker, einem US-amerikanischen Fachmann zur
viktorianischen Epoche. Ruth erhofft sich von Frank Informationen zu Jemimas
Lebensbedingungen, die die Unschuld der Frau beweisen könnten. Ruth und Frank
gemeinsam wären das ideale Team, um den Fall Jemima Green aus
wissenschaftlicher Sicht abzuschließen, ohne die Frau vorschnell zu
verurteilen.
Die Verknüpfung von drei verschiedenen Fällen mit Kindern als Opfern lässt
die Emotionen im Ort kochen, jeder glaubt die Motive anderer zu kennen und
beurteilen zu dürfen. Als Alleinerziehende, die ihr Kind von einer Tagesmutter
betreuen lässt, ist Ruth von vorschnellen Urteilen über gute und
verantwortungslose Mütter besonders leicht zu verletzen. Die Ereignisse lassen
sie über Muttergefühle nachsinnen, über das soziale Ansehen von Müttern und
über Eifersucht unter Frauen, die sich jeweils für die besseren Mütter
halten.
Elly Griffiths knüpft im 6. Band ihrer Reihe um Ruth Galloway als zentraler
Figur ein imponierendes Netz aus miteinander verbandelten Figuren. Die
Verbindungen sind so kompliziert, dass sich Ermittlungsergebnisse kaum geheim
halten lassen. Nur ein kleiner Ausschnitt aus dem komplizierten Netz: Harry
Nelson ist der Vater von Ruths Tochter Kate, seine erwachsenen ehelichen
Töchter spielen im Fall eine Rolle, Cathbard, der freakige Druide, ist der
Großvater eines vor circa 8 Jahren verschwundenen Mädchens (in einem Fall,
der Harry Nelson bis heute auf der Seele liegt). Für Leser, die neu in die
Reihe einsteigen, sollte der Verlag über eine Beziehungs-Skizze der handelnden
Personen nachdenken.
Als Leser erlebt man Ruth Galloway in diesem Krimi einerseits als Mutter, sowie
als nüchterne Wissenschaftlerin mit Respekt für die Toten. Ruth hält sich
selbst nicht für gläubig, zeigt jedoch Gespür für religiöse und
abergläubische Einstellungen anderer. Dass Ruth als Archäologin Frank über
den brüchigen Knochen einer über 100 Jahre alten Toten kennen- und
liebenlernt, fand ich unfreiwillig komisch, sehe es aber auch als Ausdruck von
Elly Griffiths makabrem Humor.
Reihenfolge der Serie:
1. Totenpfad
2. Knochenhaus
3. Gezeitengrab
4.
Aller Heiligen
Fluch
5. Rabenkönig