"PINIENSOMMER" ist ein Roman der sanften Töne. Seine Handlung, die
auf wahren Begebenheiten fußt, liegt in der jüngeren Vergangenheit vor etwa
fünfzig Jahren. Es geht um die Liebe, jedoch nicht nur. Die Liebesgeschichte
drängt sich einem nicht auf. Aber sie ist stets präsent, weil sie die
Grundlage allen Geschehens in diesem Roman bildet. In einer Familiengeschichte,
die das Leben dreier Generationen beschreibt, muss es einfach auch um die Liebe
gehen.
Es sind die 1960 er Jahre auf Sizilien. Nicola und Stella verbindet eine tiefe
Liebe. Nicolas Mutter hält nichts von seiner Verlobten Stella. Sie verhält
sich kratzbürstig, zumal Stella zum "verarmten Adel" gehört, weil
deren Familie wegen der Machtverhältnisse in der Region an Grund und Boden
verloren hatte. Doch die beiden lassen sich davon nicht beeindrucken, sie wollen
studieren und heiraten. Sie haben wie alle jungen Menschen Lust auf das Leben
und die Zukunft. Und sie finden Mut zu Protesten gegen die bestehenden
Machtverhältnisse, die von der Mafia, Aberglauben und Tradition geprägt sind.
Wird ihnen das Leben dadurch schon schwer gemacht, ist ihnen auch das Glück
nicht immer hold und es gilt, schwere Steine aus dem Weg zu räumen.
Stefanie Gerstenberger hat einen beinahe historischen Roman geschaffen, der die
gesellschaftlichen und sozialen Verhältnisse in einer Region und einer Zeit
beschreibt, die fast schon wieder in Vergessenheit geraten sind. Sie kennt die
Gegend in aller Vielfältigkeit und Detailliertheit, denn das fiktive Geschehen
macht einen überaus authentischen Eindruck. Man fühlt sich in einen Landstrich
versetzt, der einem aus Mafia-Filmen der 1970er Jahre bekannt war. Ich habe es
genossen, die Menschen in diesen Romanen, ihre Lebensverhältnisse und
Schicksale kennenzulernen. Diese Authentizität muss aber keinen verwundern,
denn wie mir die Schriftstellerin verriet, hatte sie schon ein paar Sommer in
Italien zugebracht und gearbeitet (unter anderem auf Elba), als ihr 1996 die
Idee kam, einen Sprachkurs zu absolvieren. »Das erschien mir ganz nützlich, um
mein bisheriges Straßenitalienisch grammatikalisch etwas aufzurüsten«, sagt
sie. »Meine Wahl fiel auf Sizilien, das ich bis dahin noch nicht kannte. Mit
Maria, der Besitzerin der Sprachschule, verstand ich mich sofort wunderbar und
blieb für die nächsten Monate gleich dort. Ich war fasziniert von der
Schönheit der Natur, zugleich aber abgestoßen von der brutalen Hässlichkeit,
mit der der Mensch die Insel seit jeher erfolgreich verschandelt. Ich traf auf
Leichtigkeit und Lebenslust, gepaart mit uraltem Aberglaube und der Tradition,
zu schweigen und wegzuschauen.« Erst viel später kam sie darauf, diesen
Zwiespalt in Geschichten zu packen. So entstand ihr erster Roman, "DAS
LIMONENHAUS", der auf Begebenheiten beruht, die ihr die Inhaberin der
Sprachschule erzählt hat. »Auch beim OLEANDERREGEN, dem STERNENBOOT und dem
PINIENSOMMER war sie eine unendliche Quelle und machte mich mit Leuten bekannt,
die dann zu meinen Hauptfiguren wurden«, erzählt mir die Autorin mit
leuchtenden Augen.
Da mich besonders die Konstellation von Region und Zeit des Romans
interessierte, gab mir Stefanie Gerstenberger zur Entstehung von Figuren und
Handlung bereitwillig Auskunft: »Da es sich um wahre Geschichten von realen
Menschen handelt, musste ich über Handlungsort und Handlungszeit nicht
nachdenken. Ich stellte mir wohl aber die Frage: Was übernehme ich, was lasse
ich weg, was dichte ich dazu? Einiges musste ich abmildern und ändern, weil das
Leseerlebnis sonst trauriger geworden wäre. Außerdem habe ich der Dramaturgie
wegen einige Figuren erfunden. Das wahre Leben ist manchmal mitleidslos, es
strotzt vor Zufällen und entbehrt jeder Logik. Das möchte man seinen
LeserInnen nicht zumuten!
Die Figur der Stella mit ihrem Optimismus und ihrer Kraft beim Anpacken hatte
mich beim Lesen am meisten fasziniert. Deshalb frage ich: »Wird es eine
Fortsetzung um die Architektin Stella geben?«
»Nein. Ich finde, die Geschichte ist zur Genüge auserzählt. Zwei Teile waren
sowieso nicht geplant. Doch als ich dem Diana-Verlag nach hundert geschriebenen
Seiten mitteilte, dass die Fülle der Begebenheiten niemals in vierhundert
Seiten passen werden, ohne sie zu verstümmeln., ließen sie mich (Dankeschön!)
zwei Teile daraus machen!«
Es entstand "DAS STERNENBOOT" und "PINIENSOMMER".
»Und ich bedanke mich für die informativen Antworten auf meine Fragen«,
beschließe ich unser Gespräch.
Fazit
Allen, die in der Literatur nach etwas Besonderem suchen, sei dieser Roman
bestens empfohlen.
P.S.: Hinweis meinerseits an den Verlag. Titel und Cover mögen zwar zur Reihe
der Gerstenberger-Romane passen, werden der Geschichte im Roman aber nicht
gerecht.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
[Profil]
veröffentlicht am 08. Juli 2017 2017-07-08 10:55:47