Eine sensible und treffende Darstellung des "Warum?"
"Ich freue mich, ein paar neue Gesichter zu sehen. Das ist gut. Soll jeder
von euch entschieden, welchen Beitrag er zur Reinhaltung Deutschlands leisten
wird".
Bei dem einen ist es Neugier, vielleicht eine gewisse Langeweile oder Leere. Bei
der andern ist es nicht so ausgeprägt, aber man will ja dazugehören, als
Mädchen, zu den coolen Jungs. Andere wiederum sind absolut überzeugt, wird ein
"Club 18" geführt. Bis es passiert. Und daneben die andere Seite. Die
Flüchtlinge. Eine Seite, die exemplarisch an fünf Schicksalen von Engelmann
ebenso nachvollziehbar, sensibel und empathisch wie differenziert dem Leser
nahegebracht werden.
So dass am Ende der "Vorstellungsrunde" tatsächlich unterschiedliche,
sich teils an verschiedenen Polen der inneren Einstellung befindliche
"echte" Menschen in den Raum des Buches getreten sind. Bei denen auch
die Täter, trotz allen Widerwillens, der sich alleine schon gegen die
abwertende und verallgemeinernde Sprache auftaucht doch auch ein Verstehen
entsteht, wenn auch keine tiefe Sympathie. Bis dann die brennenden Flaschen
geworfen werden und Engelmann durch die Tat, die Ermittlungen, den Prozess
minutiös offenlegt, was im Land (auch) vorgeht. Fremde Welten dem Leser damit
näher bringt (je nachdem, aus welcher Haltung man schaut, es werden sich auf
jeden Fall "Fremde Welten" für jeden Leser finden).
"Dieses Buch beruht auf einer wahren Begebenheit". Dem kann man als
Leser nicht entgehen, auch wenn einige Sequenzen um Prozess und Anwälte fiktiv
gesetzt werden. Reale Prozesse, die Engelmann in starken Bildern im Buch
verankert. Wie mit diesem Hakenkreuz an der Bushaltestelle, das erst für
allgemeine gemurmelte Empörung sorgt, bis es nach kurzer Zeit einfach
hingenommen wird. Was nicht unbedingt heißt, das solche politischen Symbole
wieder hoffähig werden, wohl aber, wie verbreitet es doch inzwischen ist, das
irgendwie zu dulden. Und damit, auch dass in dieser Szene im Buch gut
beleuchtet, nicht früh genug Einhalt geboten wird, um den nächsten Schritt der
"Mutproben", der "Eskalation" zu verhindern. Denn auch, wenn
es gar nicht so gemeint ist, das schweigende Hinnehmen kann auch als stille
Zustimmung verstanden werden. In den wachen Augen dessen, der das Zeichen gemalt
hat und sehr genau die Reaktionen "des Volkes" an den nächsten Tagen
beobachtet.
Fazit
Nüchtern-sachlich in der Schilderung der Abläufe, intensiv in der Aufarbeitung
des "Anschlages" in den Personen und im "Rechtssystem" ist
dies ein Buch, das nicht nur, aber vor allem auch, jungen Menschen die Augen zu
öffnen versteht über Menschlichkeit, Gefallen wollen, Irrwege, und auch
"keinen Rahmen zur rechten Zeit" geboten zu bekommen. Eine wichtige
und empfehlenswerte Lektüre.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 08. Juni 2017 2017-06-08 10:35:50