Fulminant
Schon die "Schafkrimis" von Leonie Swann haben hervorragend
funktioniert (was man beim ersten Nachdenken nicht gedacht hätte). Mit
"Gray", dem Papagei, setzt Leonie Swann nun aber die Messlatte noch
ein Stück höher und legt einen fulminanten Kriminalroman mit einem
ausgeklügelten Fall, einer perfekt getroffenen Atmosphäre (zu Cambridge passen
z.B. schwarz-weiß Bilder ganz gut. Wenn auch nicht unbedingt in dem, was darauf
abgebildet ist. Aber auch das fügt sich wieder zusammen, wenn Dr. Augustus Huff
an einem bestimmten Ellbogen vorbei in die Kamera schaut, von deren Existenz er
gar nichts weiß. In diesem Augenblick) und einem Ermittlerduo, das
Seinesgleichen sucht.
Dabei nimmt Dr. Huff den Papagei zunächst nur bei sich auf, weil er nicht
weiß, wie er ihn von seiner Schulter loswerden könnte. Muss mit dem Vogel auf
den Schultern schon in den ersten Stunden einiges an Peinlichkeiten über sich
ergehen lassen, denn Gray hat keine Hemmungen, seine Gefühlslagen auszudrücken
("Stinker!", "Monster!"). Nur aus Trotz einer (noch)
Vorgesetzten gegenüber macht Huff das Tier "offiziell", holt sich die
Genehmigung aufgrund von "Sprachforschungen". Wobei manchmal ein wenig
verwischt, wer wen da eigentlich erforscht und wer wessen Sprache versucht, zu
enträtseln.
Auf jeden Fall merkt Huff schnell, dass Gray nicht wahllos vor sich in plappert,
sondern einiges zu sagen hat. Was den Tod eines überaus unbeliebten,
nichtsdestotrotz sehr guten Studenten aus noch besserem Haus angeht. Ein
bekannter, eher berüchtigter "Fassadenkletterer", eine Art
"Studentensport" in Cambridge. Bei dem ein tritt zumindest wohl
schiefgegangen ist. Sonst läge der junge Mann nicht (leicht zermatscht) unten
auf dem Boden vor der Kapelle,
Aber Huff erkennt Ungereimtheiten. Und trotz seiner nicht wenigen Zwänge, vor
allem den, alles in perfekter Ordnung immer auszurichten und sich beständig die
Hände zu waschen (was Swann bestens einbaut und trotz der häufigen
Wiederholungen den Leser damit amüsiert und nicht nervt) ist er bereit, sich im
realen und übertragenen Sinne des Wortes "die Hände schmutzig zu
machen", durchaus auch mal in seiner Badewanne zu schlafen und hartnäckig,
trotz einer gewissen Unbeholfenheit und leichter Ängstlichkeit (die ebenfalls
den Charakter des leicht verschrobenen Akademikers im Tonfall und Inhalt bestens
nahebringen), seine Ermittlungen voranbringt. Was natürlich auch Gefahr für
ihn (und seinen "Schulterbewohner") mit sich bringt.
Fazit
Leonie Swann ist eine wunderbare Erzählerin. Flüssig, locker und doch immer
auf den Punkt, spinnt sie den Erzählfaden beredt und bildkräftig immer weiter.
Dabei erreicht sie den Leser einerseits emotional (die "Helden"
wachsen einem schnell ans Herz), zeichnet ihre Figuren durchweg präzise und
prägnant und bietet damit einen anregendes, unterhaltsames und kaum freiwillig
aus der Hand zu legendes Leseerlebnis der Extra-Klasse.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 07. Juni 2017 2017-06-07 11:33:20