Das vorliegende Buch gehört sicherlich zu den besten Darstellungen über
Preußen neben Sebastian Haffners "
Preußen ohne Legende",
Hans-Joachim Schoeps "Preußen", Marion Gräfin Dönhoffs:
"Preußen" und Christian Graf Krockows: "Preußen: eine
Bilanz". Allen Autoren ist gemeinsam, dass sie die Tugenden Preußens - die
Rechtsstaatlichkeit, die religiöse Toleranz, die Tapferkeit und Ehrbarkeit
herausstellen und die These vom "Preußischen Militarismus" ablehnen.
Venohr macht in der Einleitung deutlich, dass insbesondere Hitler und der
Nationalsozialismus in ihrer Intention anti-preußisch gewesen sind. Nicht
umsonst gehörten die bekannteste Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944
namhaften preußischen Familien an, die für die oben skiziierten preußischen
Werte kämpften. Einer von ihnen, Henning von Tresckow, wird in dem Band von
Venohr eindrucksvoll portraitiert. Von ihm stammen auch die Portraits des
Soldatenkönigs Friedrich Wilhelms I. und Friedrichs des Großen. Zu beiden
Königen hat Venohr ausführliche Standardbiographien verfasst. Hier wird - und
darin liegt der Wert des Buches - ein erster Einblick geboten, sehr gut für
Erstinformation für Schüler und Interessierte.
Die biographische Herangehensweise, die auch Ohff in seinem Werk "
Preußens Könige" oder in dem
von Frank-Lothar Kroll herausgegebenen Sammelband "
Preußens Herrscher" gewählt
haben, klammert gesellschaftliche und wirtschaftliche Aspekte aus, da auf die
persönlichen Charaktereigenschaften der portraitierten Personen fokussiert
wird. Die einzelnen Portraits sind jedoch sehr lesenswert, insbesondere die
Portraits über Bismarck und Fontane von Haffner oder die Portraits der
Militärs Gneisenau und Moltkes. Im Gegensatz zu den eben erwähnten Buchtiteln
"
Preußens
Herrscher" bzw. "
Preußens Könige" werden hier
jedoch nicht nur die Monarchen und Staatsoberhäupter Preußens in Kurzportraits
dargestellt, sondern Personen, die für die Entwicklung Preußens maßgebend und
prägend waren, was sich an den Portraits Moltkes, Bismarcks, Tresckows und
Fontanes zeigt. Was mich allerdings wundert, ist die Subjektivität der Auswahl.
Waurm etwa werden Friedrich Engels oder Ernst Niekisch in diese Sammlung
aufgenommen, jedoch nicht der zutiefst preußische Wilhelm I., der - in seltener
prophetischer Gabe - in der Reichsgründung vom 18. Januar 1871 - 170 Jahre nach
der Gründung des Königtums durch Friedrich I. 1701 - den Untergang Preußens
und sein Aufgehen in ein von ihm nicht gewolltes "Deutsches Reich"
korrekt vorausgesehen hat? So interessant der Berater Wilhelms II., Philipp zu
Eulenburg, gewesen sein mag: ist nicht die preußische Königin Luise, sind
nicht Scharnhorst und der Freiherr von Stein für Preußens Entwicklung
bedeutender als Eulenburg?
Es sind genau diese Aspekte, die mich zögern lassen, dem Buch, welches an sich
sehr gut geschrieben ist und deren Autoren nicht nur ausgewiesene Fachkenner
sind, sondern die (seltene) Gabe haben, historische Fakten spannend und
plastisch zu schildern, die höchste Punktzahl zu geben.
Fazit
Dennoch: als Ersteinführung am ehesten vergleichbar mit Ohffs "
Preußens Könige" oder Gordon A.
Craigs "Das Ende Preußens" (auch hier werden acht wichtige
preußische Persönlichkeiten portraitiert, wobei Craig die Vorgehensweise
wählt, jeweils zwei Personen in einer Art Duographie direkt miteinander zu
vergleichen: Stein und Marwitz, Bettina von Arnim und Bismarck, Theodor Fontane
und Wilhem II., Otto Braun und Konrad Adenauer) und insgesamt trotz der oben
gemachten Einschränkungen, was die subjektive Auswahl der Portraits angeht,
auch heute noch äußerst lesenswert.