Der alte Lederkoffer war ein Schnäppchen; Nora Sand wusste das ebenso gut wie
der Verkäufer im Trödelladen. Nora stammt aus Dänemark und lebt als
Korrespondentin einer kleinen dänischen Wochenzeitung in London. Aus dem
Futter des Koffers fallen der Journalistin einige Polaroid-Fotos entgegen, die
aus den 80ern des vorigen Jahrhunderts stammen müssen. Jemand hat junge
Mädchen vor einem einfarbigen Hintergrund fotografiert. Eins der Bilder zeigt
Lisbeth und Lulu, die 1985 spurlos von einer Fähre zwischen Dänemark und
England verschwanden. Das Foto muss nach dem Verschwinden der Mädchen
aufgenommen worden sein. Weit beunruhigender ist Noras Entdeckung, dass die
Fotos im Stil auffällig den Bildern ähneln, die ein verurteilter Serienmörder
von seinen Opfern aufnahm. Weil ihr Chefredakteur sich zu einer Reportage über
den alten Vermisstenfall und dessen neue Verbindung zu William Hickley
überreden lässt, kann Nora in Dänemark nach den verschwundenen Mädchen
recherchieren. Zum Glück ist Nora bestens mit alten Freunden vernetzt, die alle
nützliche Fähigkeiten für ihre Recherche mitbringen.
Nora spürt Zeugen auf, die die Mädels in ihrer Zeit im Erziehungsheim
kannten, aus dem diese später verschwanden und beantragt ein Treffen mit dem
Häftling Hicks. Doch die anfangs so idyllische Atmosphäre kippt rasant und
Nora muss sich fragen, ob Hicks außerhalb der Haftanstalt einen Nachahmer oder
einen Komplizen haben könnte. Als trainierte Boxerin hatte sie die drohende
Gefahr nicht ernstgenommen und sich selbst vermutlich überschätzt.
Lone Theils hat mit ihrer Laienermittlerin Nora eine liebenswürdige Hauptfigur
geschaffen, die in idyllischer Umgebung recherchiert – wäre da nur nicht der
fiese Massenmörder, dem sich Nora an die Fersen geheftet hat. Der Showdown
bricht die Idylle mit gewaltigem Getöse; einen Cozy Krimi sollte man nicht
erwarten. Breiten Raum nimmt die Vorstellung von Noras Familie, ihrem vermutlich
autistischen Bruder und ihrer Jugendliebe Andreas ein. Im Privaten liegt noch
einiges Potential für die angekündigten Folgebände der Krimiserie. Theils
Dialoge wirken schlagfertig, ihre Sprachbilder originell.
Fazit
"Die Mädchen von der Englandfähre" punktet als Serienauftakt
zunächst mit der sympathischen Ermittlerin.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 17. Mai 2017 2017-05-17 08:42:43