Eindrucksvolle Einblicke in hoher Qualität in einen Mikrokosmos
Es hat sich herumgesprochen. Dass da einer war, der intuitiv und mit sicherem
Instinkt genau jenen Moment, jene Atmosphäre, jene Wichtigkeit auf das Bild zu
bannen verstand, um das es "den Leuten" je ging. Im Mikrokosmos seines
Lebens- und Arbeitsortes Nidwalden in der Schweiz hat Arnold Odermatt,
verschwenderisch fast mit seiner "freien Zeit", fotografiert. Und so,
Bild für Bild, den Wandel der Zeit, das Leben der Bewohner, die
"Feierzeiten" und den "Alltag" unnachahmlich und tief
beeindruckend ins Bild gebannt. Vom Portrait bis zur Feiergesellschaft, von der
Hochzeit bis zu den Arbeiten an der Elektrisierung der Gegend findet sich, Seite
für Seite in unzähligen Fotografien, ein Einblick in das Leben im Kanton und,
vor allem, in die instinktive Kunst Odermatts.
Wobei das Titelbild den Titel doppeldeutig bereits in sich trägt. Odermatt, im
Berufsleben Polizist, in der freien Zeit am "Feierabend" Fotograf hat
vielleicht nicht jeden Tag einen Handstand auf der Straße vollzogen, wenn der
Feierabend eingeläutet wurde, aber das Titelbild zeigt bereits, in welcher auch
erzählerischen Qualität Odermatt seine Bilder inszenierte und auf den Punkt
brachte.
"Ich sammle nicht. Ich bewahre auf".
Ein Bild einer trächtigen Milchkuh? Ein neues Paßfoto, eine Sonntagaufnahme im
"feinen Anzug" von der Familie? Oder, gleich zu Anfang, eine ganz
eigene "Familiengeschichte" Odermatts, fast jedes Motiv, fast jedes
fertige Bild erzählt zugleich eine Geschichte für den Betrachter. Denn wenn
eine Seilbahngondel überfüllt mit Heuballen fast "durch das Bild
gleitet", dann ist klar, dass dazu auch jene gehören, die das Heu
eingefüllt haben und jene, die es erwarten und nutzen. Wie dann fast eine
Geschichte der Seilbahn in den folgenden Bildern entsteht mit Gerätschaften,
die schon lange inzwischen ausgemustert sind und mit denen zugleich die
faszinierende Landschaft des Kantons mit ins Bild kommt.
Um dann auf die "Bediener", die Menschen hinter der Seilbahn "zu
sprechen" zu kommen. Die Handarbeit des Käsemachens und der damals
mühselige Transport, die Alphornbläser im Feiertagsstaat vor prächtigem
Panorama, abgelöst von einfachen Menschen in einfacher Kleidung, die Zigarette
im Mundwinkel beim "Geschäftemachen". Oder die fast unübersehbare
Zahl parkender Autos in Korrespondenz mit einer noch viel größeren Menge an
Menschen, die gebannt einem Ereignis folgen hin zu feinfühligen Portraits, bei
denen der Gesichtsausdruck und die Atmosphäre ganze Lebensgeschichten, Glück
und Ernst, abbilden. Die "frische Jugend, das "stille Alter", der
Zeitvertreib beim Kartenspiel und das "Nickerchen" in wunderbarer
Natur, der Bildband bietet ein wahres Füllhorn an Motiven und zeigt, mit
welcher Virtuosität der Polizist Odermatt es verstand, den Film zu
belichten.
Da reichen schon einmal vier abgefahrene Autoreifen, um das Vorrücken der Zeit
und die Vergänglichkeit der Dinge ins Auge des Betrachters zu rücken, um dann
den "letzten Schliff" an der neuen Schnellstraße ins rechte Licht zu
rücken. Neben uralten, unsicher wirkenden Brücken und futuristischen neuen
Bauwerken dann eine "Alkoholleiche" mahnend vor Augen zu stellen und,
Zeichen der Zivilisation, zu zeigen, was ein Schild "Schuttabladen
strengstens verboten" dem Menschen wirklich bedeutet (Nichts eben).
Fazit
Ein ganz hervorragender Bildband mit Vielfalt, Entwicklungen über die Jahre
und, immer wieder, Menschen und Portraits, die, jedes Bild für sich, immer eine
erkennbare Geschichte transportieren. Mal ernst, mal lustig, mal mit einem
ironischen Augenzwinkern und mal als nüchternes Dokument. Nie aber langweilig.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 09. Mai 2017 2017-05-09 12:27:13