Vielfältig, spannend und mit viel Lokalatmosphäre
Die Falklandinseln als Schauplatz krimineller Ereignisse haben ja bereits an
anderer Stelle stattgefunden, nun also nimmt Neilson den Leser mit auf die
Färöer Inseln. John Callum benötigt einen Neustart. Der Schotte aus Glasgow
landet auf dem kleinen Flughafen der Inseln und kann bereits im wankenden und
schwankenden Flieger die völlig entspannte Mentalität der Färöer bestaunen.
Die, nicht zuletzt, auf eine doch erkleckliche Menge an Alkohol im Blut
zurückzuführen ist. Angst vor einem Absturz hat dort wohl niemand. Was aber
Callum nach Färöer treibt, wieso der ehemalige Lehrer sich Arbeit in einer
Lachsfabrik sucht und unter einfachsten Umständen zu leben bereit ist, das
bleibt lange Zeit ein Rätsel. Auch wenn Neilson die Alpträume des Mannes
geschickt in den Ablauf der Geschichte einfügt. Es wird nur klar, dass Callum
in sich auch eine harte, aggressive Seite trägt. Die er mühsam beherrscht. Was
nicht einfach ist, da er bei dem ein oder anderen Färöer auf starke Ablehnung
trifft. Bei manchen ohne ersichtlichen Grund, bei anderen mit einem Grund, den
Callum noch entdecken muss.
Auch wenn es sich ansonsten gut anlässt. Eine Affäre mit einer Inselschönheit
und Malerinn beginnt. Der Chef der Lachszucht ihn in seiner Hütte wohnen
lässt, erste Kontakte zu einem Franzosen entstehen der als Naturfotograf eine
Menge über die Insel zu erzählen hat. Was Neilson nutzt, um dem Leser immer
wieder Landschaft, Orte, Bewohner plastisch und griffig vorzustellen. Die Enge
des Lebensgefühls, das Aufeinander angewiesen sein, auch wenn jeder für sich
zu stehen vermag. Der Einfluss der Kirche, die schroffe, weitgehend unberührte
Landschaft. Und, als einer der Höhepunkte dieser Seite des Thrillers die
minutiöse Schilderung des "Grind", der Waljagd. Die für Callum fast
zur Todesfalle wird. Einige Zeit, nachdem er ohne Erinnerungen aus einem rausch
am Hafenpier erwacht, ein Walmesser in seiner Jackentasche findet, das ihm nicht
gehört, dass aber voller Blut ist. Das Blut eines Menschen.
Umgehend steht Callum, der "Fremde", unter Mordverdacht und wird sich
seiner Haut vor allem selbst wehren müssen. Was weder einfach noch
ungefährlich sein wird. Denn je näher er den Umständen der Tat kommt, je mehr
er daran zweifelt, dass er selbst das Verbrechen begangen hat, desto klarer wird
auch, dass er selbst im Fadenkreuz sein wird. Geschickt legt Neilson
verschiedene Spuren, rückt immer wieder einzelnen Personen in ihrer
Befindlichkeit und ihrem teils Verdächtigen Verhalten in den Mittelpunkt der
Betrachtung, bis ein Netz an Verdächtigen entsteht, bei dem der Leser gebannt
mit rätselt, was genau und wie und durch wen passiert. "Ein Mann ohne
Messer ist ein Mann ohne Leben". Jeder Färöer besitzt ein solches
Walmesser, eine mögliche Tatwaffe. Und weiß dieses Messer geschickt
einzusetzen. Zumindest, wenn es um das Rückgrat von Grindwalen geht.
Fazit
Überzeugende Personen, eine hervorragende Schilderung der Färöer Inseln und
des Lebens auf diesen, ein intelligent entfalteter Mordfall und eine sich
ständig steigernde Spannung in genau dem richtigen Timing bieten einen
hervorragenden Thriller und hohen Lesegenuss.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 05. Januar 2017 2017-01-05 14:11:50