Dicht, ehrlich, packend, humorvoll und unterhaltsam dazu
Da muss schon einiges passiert sein, was den ständig auf "die große
Nummer" wartenden und ständig "big deals" erprobende Aldo hinter
sich hat, wenn er zu Beginn des Romans im Rollstuhl sitzend einen äußerlich
erbärmlichen und innerlich aufgewühlten Anblick bietet. Und da muss mehr
passiert sein, als das seine "große Liebe" gerade dabei ist, einen
anderen zu heiraten und "ihren" Aldo natürlich mit Funktion zur
Hochzeit eingeladen hat. Als Platzanweiser.
Was alles sehr überzogen wirkt, zu Beginn, Was doch kaum sein kann, dass einem
Mann ständig höchste Merkwürdigkeiten mit stark negativen Folgen für seine
Gesundheit "über den Weg laufen". Doch Toltz gelingt es, und das vor
allem mit seiner lapidaren, ironisch-zynischen, genau beschreibenden Sprache,
diesen Aldo für den Leser absolut greifbar und in all seinen Fettnäpfchen
realistisch wirkend vor Augen zu führen. Was, neben der Sprache, auch an der
zweiten Hauptfigur des Romans, des "heimlichen" (da noch nicht
veröffentlichten und bisher nur abgelehnten) Schriftstellers und, im
Hauptberuf, Polizisten, Liam zu verdanken ist. Bester Freund seit Jugendzeiten,
echter "Buddy", der seinen Beruf nicht selten dazu nutzen muss, Aldo
irgendwo heraus zu holen, wenn dieser sich wieder in einer Sackgasse befunden
hat, aus der es ohne Verletzungen keinen Weg herausgab.
Was liegt nun näher, als diesen Irrsinn, der Aldos Leben bestimmt, einfach als
Stoff für den eigenen, neuen Roman zu nutzen? Und so nimmt Liam im Buch den
Leser mit hinein in die Geschichte Aldos, in seine eigene (Verheiratet, so la
la, Vater, "Broterwerber") und die vielfachen Merkwürdigkeiten, die
beide zusammen erlebten. Samt einer gehörigen Portion "Blick auf die
Welt", die Toltz seinen beiden Figuren unnachahmlich, mit trockenem Witz
und massiver Ironie mit in den Mund legt.
"Du weißt, früher wollten die Leute Rockstar werden und heute reicht es
ihnen, wenn Rockstars auf ihren Geburtstagspartys spielen? Du weißt, dass wir
Pornographie inzwischen für Meinungsfreiheit halten? Und wir haben schon immer
gewusst, dass die Leute ihre Freiheit hassen, aber jetzt wissen wir auch, dass
sie ihre Privatheit verachten".
Dies und noch viel mehr, das Buch strotzt geradezu davon, sind die Einsichten
eines Mannes, der von der äußeren Erscheinung her schon sein Päckchen zu
tragen hat, bei dem Pech hinzutritt, Wagemut überhand nimmt, und der dennoch
nicht sich für falsch, sondern die Welt für einen merkwürdigen Ort hält.
Wobei der Leser Seite für Seite mehr dazu neigt, diesem Aldo recht zu geben,
der mit seinem auffälligen Verhalten Reaktionen provoziert, in denen sehr klar
und präzise von Toltz ausgeführt wird, wie der Mensch der Moderne "so
drauf" ist. Und da wird weitaus Beschämenderes vom Zustand der Welt zur
Sprache kommen als die jugendlichen "harten Kerle", die Aldo zwingen
wollen, den Tageshöchstbetrag aus dem Automaten zu holen. Wenn dieser nicht
just in diesem Moment seine PIN vergessen hätte. Und wiederum nur mit Blessuren
den Ort der Handlung verlassen wird. Wie stark dabei echte Freundschaft das
Leben trägt, wie absolut direkt, klar, ehrlich und ohne jede Rücksichtnahme
die Kommunikation der beiden verläuft, all das macht diesen Roman zu einem
echten Pageturner und einer Gratwanderung zwischen Realität und Wahnsinn, die
den Leser immer weiter im Sog der Erzählung hält.
Fazit
Im Blick auf "deinen Mordprozess und deine frappierende Aussage natürlich.
Deine Unmengen an geschäftlichen Misserfolgen. Dein grässliches Pech. Deinen
miserablen Gesundheitszustand. Deine schrille Verzweiflung. Dein totes
Kind". Was alles zur Sprache kommen wird in diesem hervorragenden Roman.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 12. Dezember 2016 2016-12-12 14:15:10