Thriller von hoher Qualität, der keinen Vergleich zu scheuen braucht
Zwei Sekunden Unterschied sind es, die den Wagen, in dem die Kanzlerin und der
russische Präsident sitzen aus der Gefahrenzone bringen und dafür den
folgenden Wagen zerfetzen.
Natürlich ist die Wucht der dann einsetzenden Ermittlungen groß und viele
Dienste beteiligt, auch smarter, aber abgebrühter russischer Agent gehört zur
Einsatzleitung.
Irritationen über Kompetenzen, Fragen nach einem Insider, der überhaupt die
Route der Kolonne kennen konnte, Ermittlungsergebnisse im Blick auf den
Sprengsatz, die Fragen aufwerfen und, ganz am Rande, Kommissar Eugen de Bodt,
der mit seinem kleinen, sehr individuell veranlagten, Team von der Kanzlerin
persönlich mit ins Boot geholt wird.
Mit vielen Freiheiten und wenigen Pflichten. Ein passendes Arrangement, denn auf
zwei Dinge kann man sich oberflächlich bereits bei de Bodt verlasen.
Er benötigt wenig Motivation von außen. Er beißt sich fest an seinen Fällen,
von ganz tief Innen kommt in aller Klarheit "Ich verliere nicht
gerne".
Und ebenso kann man sich darauf verlassen, dass sich de Bodt kaum an Regeln
halten wird, wenn es wirklich eng wird. Und das seine Intuitionen, seine
Risikobereitschaft, seine ganz andere, auf "normale" Kriminalbeamte
überaus provozierend wirkende Gesamthaltung auf seine Art und Weise Bewegung in
den Fall bringen werden.
"Ockhams Messer", das ist sein inneres Werkzeug, mit dem er alle
abseitigen Erklärungen abschneidet, bis der Kern des Falles vor ihm liegt.
"Aber vielleicht war auch alles anders. Und das Messer schnitt die richtige
Erklärung weg".
Wie nun aber von Ditfurth diesen de Both und die anderen Figuren des Thrillers
anlegt, Merkow, den russischen Agenten, der überaus reflektiert auch die
eigenen Wege zu betrachten versteht, Katt, die aus Moskau eingeflogen wird, um
mit ganz eigenen Methoden die Rätsel des Anschlags zu lösen, Salinger, die
Kommissarin im Team de Bodt, die Nähe und Distanz nur schwer austariert
bekommt. Yussuf, der kongeniale Part im Team, der immer einen lockeren Spruch
auf den Lippen trägt, wenn es darauf ankommt aber effizient, kühl und mit
seinen vielen Verbindungen jede Hürde einer Ermittlung zum Wanken bringt.
Und dazu de Bodt selber.
Zwar ist das Motiv eines Eigenbrötlers, eher einsamen Ermittlers mit
"Defekten" nicht neu. Aber so klar, wie von Ditfurth hier einen ganz
eigenen Weg beschreitet (nicht im Alkohol oder in Wahnvorstellungen oder
Depressionen versinkt dieser Kommissar), wie er die innere Distanz des
Ermittlers sprachlich mit hervorhebt, de Bodt seine eigene Gefühlsarmut
durchaus interessiert betrachtet und dann doch diffuse Begierden im Hintergrund
mitschwingend fühlt, dass ist da eine, was den Leser interessiert und intensiv
bei der Stange hält. Und was die Verhältnisse zwischen allen Beteiligten auch
in Spannung und mit viel Unausgesprochenem hält.
Und das andere ist natürlich die Geschichte selbst. Die einen hohen
Realitätsgrad aufweisen wird in der Auflösung, die internationales Format in
den Action-Teilen aufweist, in der jeder Satz und jeder Hintergrund passend sich
in den Fluss des hohen Tempos und der Atmosphäre einfügt. Mehr Tote wird es
geben, lange Zeit wird völlig unklar sein, wo das Motiv liegen könnte.
Erpressung, Verrat, Intrigen, Kollegen, die einen bis aufs Blut hassen,
Undercover-Aktionen die für hohe Spannung sorgen und, zu den passenden
Momenten, eine klare, strikte Härte in der Beschreibung und in dem, was da
teils auch an Körperteilen abgetrennt wird, die bis zum Schluss Spannung
erzeugen.
Schon länger war es von Ditfurts Spezialität, andersartige, individuell
gestaltet Figuren in der "Berliner Atmosphäre" Vorfälle in
hervorragendem sprachlichen Stil aufklären zu lassen. Mit de Bodt aber hat von
Ditfurt noch einmal "eine Schippe" draufgelegt und gerade dieser
zweite Fall des eigenwilligen Ermittlers braucht keinen Vergleich auch mit
international erfolgreichen Thrillern zu scheuen.
Fazit
Ein hervorragender Thriller, der alles hat, um den Leser wie ein Sog an sich zu
binden.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 10. September 2016 2016-09-10 14:12:22