Ich habe Arthur Millers "Hexenjagd" im Theater gesehen und bin stark
beeindruckt. Miller hat einen historischen Stoff aus den Pioniertagen der
amerikanischen Geschichte neu geformt. Die Kleinstadt Salem lebt in einer streng
hierarichisch-puritanischen Gesellschaftsordnung, überwacht von Moralgesetzen,
von Tabu- und Verhaltenszwängen. Eines Tages wird die Nichte des sehr bigotten
Pfarrers von Salem, die im Haushalt des Bauern John Proctor, eines
gewissenhaften und ehrlichen Mannes arbeitete, von dessen Frau entlassen, weil
sie ihren Mann beim Ehebruch mit dieser Nichte, Abigail Williams, erwischt
hatte. Doch die Nichte ist äußerst verschlagen: sie klagt ihre Rivalin der
Hexerei an und entfacht eine derartige Atmosphäre an Hass und Fanatismus, dass
das Unheil seinen Lauf nimmt: von ihrem bigotten Onkel angeklagt, verurteilt das
Gericht unter dem stellvertretenden Gouverneur Danforth, einem üblen Inquisitor
vom Typ Freislers oder Wyschinskis, der Henkerjuristen Hitlers und Stalins,
seine Gegner zum Tode. Doch John Proctor trägt noch am Schluss einen
entscheidenden Sieg davon: er weigert sich, sein mündliches Schuldgeständnis
zu unterschreiben und sich dadurch sein Leben zu retten: lieber stirbt er und
bewahrt so seine Würde.
Ein außerordentlich beeindruckendes politisches Stück vor dem Hintergrund der
McCarthy-Ära in den USA in den 1950-ger Jahren, aber sicherlich ohne die oben
genannten Schauprozesse unter Hitler und Stalin nicht denkbar. Jede Form von
Intoleranz und Hass wird verurteilt - es wird aber auch gezeigt, wie leicht es
ist, angeblich edle Zwecke (hier Anklage der Hexerei zur angeblichen
Verteidigung des reinen Glaubens) für niedere Motive (Hass, Eifersucht,
Rachsucht) vorzutäuschen.
Fazit
Ich habe das Theaterstück gesehen und frage mich: wann endlich gibt es
Toleranz? Wann endlich lernen die Menschen, dass durch Bigotterie und Aberglaube
die menschlichen Werte des Miteinanders zerstört und ein Klima der Angst, der
Furcht und des Hasses geschaffen wird, welches der ideale Nährboden für
Diktaturen ist, die ihre unbequemen Gegenspieler zu Feinden der Menschheit etc.
erklären und damit ausschalten? Ein Lehrstück über die Verführbarkeit des
Menschen - immer wieder aktuell. Unbedingt lesenswert. Vergleichbar ist
"Eine Messe in der Stadt Arras" von Andrzej Sczypiorski.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 12. März 2004 2004-03-12 20:22:57