Ein weiterer Fall für Jesse Stone, dem Polizeichef von Paradise, einem kleinen
Örtchen an der Ostküste, welches sich gerade mal zwölf Polizisten leisten
kann. Jesse, der in den Verfilmungen von Tom Selleck gespielt wird, hat es
dieses Mal nicht mit Mord und Totschlag zu tun. Seine Probleme sind zunächst
die eines Provinzstädtchens. Eine Schulleiterin, die den kleinen Mädchen vor
der Klasse unter die Röcke schaut. Angeblich weil sie will, dass die Mädchen
darunter gesittet aussehen und sich nicht auf den Weg von Schlampen verirren.
Parallel dazu werden Jesses Leute auf einen Spanner aufmerksam, der zunächst
nur die Frauen bei Nacht durch deren Wohnungsfenster beobachtet und sich
Nachtfalke nennt. Doch dann geht der Spanner auch noch weiter.
Der Roman lebt von den Dialogen. Es wird sehr viel geredet. Dabei fließen viele
Anekdoten und Begebenheiten der vorhergehenden Romane ein. Das gibt dem Leser,
der die vorhergehenden kennt (was aber kein Muss ist), das Gefühl, heimisch in
einer Familie oder bei guten alten Bekannten zu sein. Die häufigsten
Gesprächspartner sind die beiden Mitarbeiter Molly und Suit. Das Frotzeln
untereinander nimmt kein Ende. Aber Jesse unterhält sich auch wieder mit seinem
Psychiater Dix. In gewohnter Weise längt Jesse von seinem Alkohol- und
Frauenproblem ab und benutzt Dix für seine aktuellen Ermittlungen. Die Art und
Weise der Dialoge treibt dem Leser das Schmunzeln ins Gesicht.
Die deutsche Übersetzung steht dem Humor und der Ironie des Protagonisten in
Nichts nach, wenn man davon absieht, dass Molly anfangs Kommissar und später
Inspektor ist. Hier hätte wahrscheinlich der amerikanische Dienstgrad
vollkommen ausgereicht. Wie bereits erwähnt, ist es nicht notwendig, alle
vorherigen Jesse-Stone-Romane zu kennen. In kurzen Absätzen und Stichworten
wird alles Wichtige erwähnt und der Leser ist voll im Bilde. So erfährt er von
dem Rauswurf Jesses bei der LAPD genauso wie von dessen Ex-Frau Jenny und
einigen weiteren Liebschaften.
Die extrem knappen Beschreibungen und die ausgiebigen Wortwechsel schaffen ein
Bild von der amerikanischen Kleinstadt und dem pulsierenden Leben auf dem
Polizeirevier, welches fesselt. Dass es dabei um keine großen Mordsachen geht,
dass Jesse dieses Mal ohne SEK und Schießen aus der Hüfte auskommt, stört gar
nicht. Man liest die Gespräche, hört sie im inneren Ohr und hat das Gefühl,
mitten unter den Figuren dabei zu sein und mitreden zu können.
Fazit
Jesse Stone, ein Sympathiebolzen, von dem man gelesen haben muss.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 03. Juni 2016 2016-06-03 17:11:43