Lustlosigkeit als Kompetenz
Es ist eine nicht neue, nichtsdestotrotz aber immer wieder individuell
drängende und wichtige Frage. Die Frage der Frauen nach der Lust, spezieller
und genauer eben spürbare Unlust. "Wollen wollen", aber nicht in
dieser Richtung empfinden können ist eine der zentralen Fragen weiblicher
Sexualität in der Psychotherapie. Gerade weil in diesem Feld auch das
"Willen wollen" (natürlich nicht im erotischen Sinne) der Therapeuten
eine große Rolle spielt. Die Therapie bei sexueller Unlust, sowie anderer
sexueller Störungen, gilt als schwierig, langwierig, nicht immer
aussichtsreich, zumindest immer aber ergibt sich ein zäher, schwieriger Prozess
der Therapie. Die Autoren dieses Buches setzen daher, völlig zu Recht, zwei
Schwerpunkte.
Zum einen wird die sexuelle Unlust als Teil der weiblichen Sexualität sehr
genau erfasst, beschrieben und in ihren vielfältigen Erscheinungsformen
aufgenommen. Durchaus auch gewürdigt, denn letztendlich ist die Prämisse des
Buches klar und liegt auf der Hand: Gegen das eigene Empfinden, gegen die eigene
"Lustlosigkeit" wird sich keine Lösung finden lassen. Somit ist
"Lustlosigkeit" tatsächlich als Kompetenz und Ressource zu verstehen,
mit der gearbeitet werden muss. Sowohl auf der Seite der "Lust", als
auch auf Seiten der ambivalenten Empfindungen, der weitreichenden Fantasien, der
Kenntnis und der Zuwendung zum eigenen, weiblichen Körper.
Alles Elemente, die im Buch sachlich, ruhig, tiefgreifend und überaus
konstruktiv aufgenommen werden und damit vielfache Impulse geben, sich selbst
als Frau seinem Körper, der eigenen Haltung und Empfindung Sexualität
gegenüber und der Möglichkeit, den eigenen Weg zwischen "Wollen"
einerseits und "nicht Wollen wollen) anderrseits Schritt für Schritt
anzugehen. Aber auch die Berater/Therapeutenseite rücken die Autoren im Buch in
den Blick. In Fragend er Konstruktion von "Ist- und Sollwert", in
Fragen der zugrunde gelegten Arbeitshypothesen und Prämissen und in vielfachen
Hinweisen aus der Praxis heraus, was sich als sinnvolle Herangänge und
Instrumente bisher erwiesen haben.
Lust und Werte, die historische Genese von Faszination an der Lust der Frau und
deren gleichzeitiger Unterdrückung, weil zugleich auch als bedrohlich empfunden
spielen dabei ebenso für den gegenwärtigen Status Quo eine gewichtige Rolle,
wie die Anforderungen der "modernen Welt" mit ihren freiheitlichen
Möglichkeiten, damit einhergehend aber auch einer "Verrätselung der Frage
nach dem eigenen Begehren".
Durch die wissenschaftliche Sprache, die das Verstehen für den interessierten
Laien nicht immer einfach gestaltet, fordert die Lektüre Konzentration, lohnt
sich aber immens allein schon ob der Breite der Herangehensweise und der sehr
wertfreien und klaren Schilderung von Hintergründen und Ausdrucksformen
weiblicher Sexualität, auch der wertschätzenden Annäherung an die
"gehemmten Seiten" der weiblichen Erotik.
Als Schutz vor Stress, als Differeenzierung eben auch im Blick auf Abneigungen,
im Rahmend er inneren psychosexuellen Entwicklung und in andren Bereichen ist
"Hemmung" als Ressource zu verstehen. Ohne das Problem damit
auszuklammern und unter Aufnahme der vielfachen belastenden Begleiterscheinungen
und auch der möglichen Ursachen der "Unlust" ergibt sich nach der
Lektüre ein umfassendes und fundiertes Bild vom Weg der Erotik und des
Begehrens, der nicht "angeboren" ist, sondern schrittweise im Zuge der
Entwicklung erlernt wird.
Fazit
Wie Störungen in dieser Entwicklung dann auch ganz praktisch bearbeitet werden
können, auch darüber gibt das Buch Auskunft.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 22. April 2016 2016-04-22 11:56:07