Joanna hat sich auf einen gemütlichen Abend eingerichtet, als sie im Haus
verdächtige Geräusche hört. Vorsichtig geht sie dem Ursprung nach und bekommt
ihre größten Ängste bestätigt: Ein fremder Mann ist in ihr Haus
eingedrungen. Joanna fleht ihn an, ihr nichts zu tun. Doch die Situation wird
noch skurriler, denn der Mann versteht überhaupt nicht, warum Joanna ihn nicht
erkennt. Immerhin sei er mit ihr verlobt und wohne mit ihr zusammen!
Soweit die Ausgangssituation zu einem Psychothriller, wie man ihn selten gelesen
hat. "Fremd" ist die erste Zusammenarbeit der beiden erfolgreichen
Thrillerautoren Ursula Poznanski und Arno Strobel. Gemeinsam haben sie einen
Thriller verfasst, der den Leser anfangs hervorragend in seinen Bann zieht. Im
Wechsel wird ein Kapitel aus Joannas, eins aus Eriks Sicht erzählt, sodass der
Leser immer wieder zwei Seiten der gleichen Geschichte kennenlernt. Natürlich
zieht der Roman von den ersten Seiten an seine Spannung aus der zentralen Frage,
warum Joanna sich an Erik nicht hat mehr erinnern kann, zumal nichts im Haus auf
seine Identität hindeutet.
So nimmt eine Handlung ihren Lauf, die immer skurriler wird. Joanna geht mit
einem Messer auf Erik los, dieser bekommt massive Probleme auf der Arbeit und
wird schließlich in ein Bombenattentat am Münchener Hauptbahnhof verwickelt.
Schon beim Lesen habe ich mir immer wieder die Frage gestellt, wie das alles
plausibel aufgelöst werden soll. An diese Frage müssen auch die beiden Autoren
angekommen sein. Leider haben sie für sich und ihre Leser eine Antwort gefunden
die, ich muss es so drastisch sagen, eine absolute Frechheit ist.
Das Finale des Romans ist so hanebüchen grotesk und unglaubwürdig, dass ich
mich zum ersten Mal darüber geärgert habe, ein eBook zu lesen. Das Taschenbuch
hätte ich wenigstens in die Ecke pfeffern können. Ganz ehrlich, was dem Leser
hier zugemutet wird, lässt mich schon fragen, wie solch ein Blödsinn durch ein
seriöses Verlagslektorat gekommen ist. Und das schlimme ist, dass die verkappte
James-Bond-Bösewicht-trifft-Adolf-Hitler-Nummer nicht nur komplett sinnfrei
ist, nein, auch die elementaren Fragen, um die sich die ganze Geschichte dreht,
werden nicht wirklich beantwortet. Warum befand sich kein einziger Gegenstand
mehr von Erik im Haus? Warum konnte sich Joanna nicht mehr erinnern? Was ist mit
dem Kakadu passiert, der immer und immer wieder erwähnt wird? Was hat Erik
wirklich auf seiner Arbeitsstelle gesehen? Nicht eine der Fragen wird halbwegs
logisch beantwortet. Vielmehr wird man mit einer Pseudo-Hypnose-Nummer
abgespeist, bei der ich das Gefühl hatte, dass selbst RTL-2-Zuschauer damit
nicht zufrieden sein können.
Fazit
"Fremd" ist ein für mich einmaliger Roman. Noch nie in meiner langen
Leserkarriere hat es ein Roman von 10 Sternen für die ersten Seiten auf eine
Gesamtbewertung von einem Stern gebracht. Sicher mag dies sehr hart sein, aber
ich habe mich auch noch nie so über ein Thrillerende geärgert, wie bei diesem
Machwerk. Jeder Jerry-Cotton-Roman ist besser durchdacht, als das, was zwei
erfahrene und erfolgreiche Thrillerautoren hier abgeliefert haben. Natürlich
ist dies nur ein Unterhaltungsroman, aber ich habe zumindest für mich den
Anspruch, dass ich eine halbwegs nachvollziehbare und in ihrem Rahmen logische
Auflösung bekomme. Gerade das ist in diesem Genre ja die große Kunst, die den
Könner vom Amateur unterscheidet. Jedem Nachwuchsautor würde man diese
unsägliche Räuberpistole um die Ohren hauen und ihn bitten, das Ende zu
überarbeiten. Sorry, Frau Poznanski, sorry lieber Arno, aber das war leider
nichts!
Vorgeschlagen von Michael Krause
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veröffentlicht am 05. März 2016 2016-03-05 15:20:22