Überzeugendes Debüt
Auf den Anfang der 40 Jahre des letzten Jahrhunderts datiert die Gerichtsmedizin
jene drei skelletierten Leichen, die eher zufällig in diesem Waldstück am
Rande von Oslo gefunden werten. Und Thomas Bergmann ist einer der Ermittler.
Ermordete Menschen, zwei Erwachsene und ein Kind, die unter Umständen, so sagt
es Bergmanns Bauch, in Verbindung stehen könnten mit dem äußerst grausamen
Mord an einem von Norwegens "Kriegshelden". Carl Oscar Krogh wird, wie
besinnungslos zerfleischt, in seinem Wohnzimmer tot aufgefunden.
Auf zwei Zeitebenen, 1942 und 2003 (die Gegenwart des Romans) verfolgt Sveen die
Spuren und Hintergründe der Morde und dringt dabei tief ein in die Zeiten von
Krieg und Widerstand ("Im Krieg gibt es nur eins, überleben"), in
Spionage und Gegenspionage. Und andererseits, und das mit hoher Qualität,
dringt Sveen ebenso tief und profund ein in die Psyche seiner Personen. Intensiv
und mit Hingabe, manchmal mit einigen wenigen beschreibenden Stichworten, da, wo
es nötig ist mit ausführlicheren Betrachtungen, lässt er die inneren Motive,
die Lust an der Macht, die Naivität des Industriellen, die Zerrissenheit jener,
die lieben will und anders liebt, als sie es zu leben hat, vor den Augen des
Lesers Realität werden.
Ebenso, wie sein "Thomas Bergmann" beileibe kein einfacher
"Held" ist. Anders, als so manch andere gebrochene Ermittlergestalten
der jüngeren Vergangenheit, deren Alkohol oder Drogen oder Einsamkeitsprobleme
fast noch sympathische Faktoren darstellen, ist dieser Thomas Bergmann einer,
der sich wenig unter Kontrolle hat. Dessen Aggressionen auch zur Unzeit
hervorbrechen, der seine Freundin verprügelt hat. Und, schlimmer noch, nicht
dafür garantieren könnte, dass das nicht mehr vorkommen würde.
Was die konkrete Freundin an sich bereits nicht mehr interessiert, diese hat ihn
verlassen. Aber, es könnte sich ja etwas neues, frisches, Unverbrauchtes
anbahnen. Doch trotz seiner inneren Belastung und Zerrissenheit, dieser Fall
hier, der wird zu einem persönlichen Fall für ihn. Dieses tote Kind im Grab,
die Verwicklungen mit Menschen, die damals wichtig waren und dann aus dem Leben
verschwanden, Nazis und Widerstandskämpfer, das lässt ihn nicht mehr los. In
schnellen Perspektivwechseln, oft kapitelweise innerhalb nur weniger Seiten,
lässt Sveen dabei die Ereignisse von damals und heute ineinander zusammenlaufen
bis hin zum überraschenden, in dieser Form wenig vorweg zu ahnenden Ende.
Fazit
Spannend, knisternd, voller Leidenschaft, Dramatik, geschickter
Selbstinszenierung und verzweifeltem Kampf um das eigene Leben (und nicht nur um
dieses). Eine sehr empfehlenswerte, packende Lektüre.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 04. März 2016 2016-03-04 11:11:02