1991 endete der kalte Krieg und der Ost-West-Konflikt. Im vergangenen Jahr sind
2 Kurzdarstellungen über die Periode des Kalten Krieges erschienen, die beide
sehr lesenswert sind: Bernd Stövers: "Der kalte Krieg" bei Beck und
"Der kalte Krieg" von Steininger.
Steininger handelt sein Thema auf 109 Seiten sehr knapp ab. Für die Darstellung
des Kalten Krieges benötigt er ganze 53 Seiten. Der Kalte Krieg wurde nach
Steininger vom "Westen gewonnen" (S. 52). Damit stellt er sich in
Gegensatz zu
Bernd Stöver,
der meines Erachtens hier wesentlich differenzierter argumentiert und sich der
These von Richard Ned Lebow "
We all lost the Cold war"
anschließt. Demnach - so Stöver - habe niemand den Kalten Krieg gewonnen,
seine Beendigung sei primär durch die Ernennung Gorbatschows erreicht worden
und vermutlich historischer Zufall. Die Bemühungen Gorbatschows werden bei
Steininger bei weitem weniger gewürdigt. Seine Reformbemühungen seien "zu
spät" gekommen. Außerdem habe der Kalte Krieg auch sein gutes gehabt: er
habe eine "lange Friedensperiode" (S. 52) beschert, da das
"Gleichgewicht des Schreckens" den Krieg verhindert habe. Die Welt sei
seit Ende des Kalten Krieges unsicherer geworden, wenn man die neue Form des
Terrorismus oder die nationalistischen Ausbrüche in den ehemaligen
Sowjetrepubliken ansehe. Ausdrücklich wendet sich Steininger gegen die
sogenannte "postrevisionistische Interpretation" des Kalten Krieges
(Begriff von Stöver), der das Unvermögen der Gegenspieler, die gegenseitigen
Absichten zu verstehen, was zu Fehlinterpretationen und Missverständnisssen und
damit zu (vermeidbaren) Krisen geführt habe, für den Kalten Krieg
verantwortlich gemacht habe. Steininger stellt ausdrücklich Stalin als
Verursacher des Kalten Krieges dar: "Er (der kalte Krieg) war nicht wegen
der viel zitierten gegenseitigen "Fehlperzeption" ausgebrochen. Mit
Stalin war eine Kooperation nicht möglich" (S. 52). Seine These belegt er
mit neuesten Quellen. Steiningers Vorzüge gegenüber Stöver sind, dass er
neuere Fachliteratur, die übersichtlich gegliedert ist, anführt und in
"Vertiefungen" einzelne Themen und Krisen sehr viel umfassender als
Stöver untersucht. Hier werden die Themenkomplexe: Marshallplan, Koreakrieg,
Berlinkrise und Mauerbau, Kubakrise, Vietnamkrieg und die Bedrohung durch
Atombomben untersucht. Insbesondere zum Kapitel "Kubakrise" und
"Atombomben" befindet sich der Autor auf der Höhe der Forschung. So
ist etwa die Kuba-Krise nicht zu verstehen, wenn man die Angst der sowjetischen
Führung vor einem Präventivschlag der USA nicht berücksichtigt. In der Tat
gab es nach 1961 Präventivschlagüberlegungen des amerikanischen Militärs, um
die amerikanische Überlegenheit auszunutzen (S. 108/109). Stöver argumentiert
stärker als Politologe, Steininger als Zeithistoriker. Im Gegensatz zu Stöver
liegt bei Steininger die Betonung stärker auf der Entstehung als auf dem Ende
des Kalten Krieges, während Stöver alle Zeiträume in gleichem Maße in seine
Untersuchung einbezieht. Stöver geht auch - im Gegensatz zu Steininger - auf
kulturelle und gesellschaftliche Aspekte des Kalten Krieges ein. So findet sich
bei Steininger ein Kapitel "Der kalte Krieg und die Medien". Dort wird
auch die Rolle der restlichen Welt, der Blockfreien, erörtert, während der
Leser bei Steininger den Eindruck gewinnt, lediglich die Akteure der
Supermächte und Gegenspieler USA und UdSSR seien für die vorliegende
Untersuchung interessant. Mangel des Buches ist, dass die unter den Historikern
und Politikwissenschaftlern umstrittene Frage, wer den Kalten Krieg gewonnen
habe, nur kursorisch angeschnitten und nicht differenziert erörtert und diese
Feststellung belegt wird. Hier ist Stövers Buch eindeutig besser.
Fazit
Beides sind hochinteressante und lesenswerte Bücher, die allerdings die
umfassende populärwissenschaftliche Darstellung: "Der Kalte Krieg"
von Isaacs nicht ersetzen können und lediglich eine Einführung in den
Themenkomplex darstellen. Wer sich kurz über Ursachen, Verlauf und Ende des
Kalten Krieges informieren will, sollte - sofern er nicht beide Darstellungen
lesen möchte - Stövers Buch vorziehen. Derjenige jedoch, der sich für
einzelne Krisen und Aspekte (etwa Kuba-Krise, Vietnamkrieg) interessiert, ist
mit Steiningers Darstellung besser beraten.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 23. Februar 2004 2004-02-23 14:11:03